Nun lass es doch mal gut sein! Warum Trauer und Wut in deinem Leben als Alleinerziehende ihren Platz haben dürfen

Zwei Jahre nach deiner Trennung und du fühlst dich noch immer niedergeschlagen? Du begegnest dem Vater deines Kindes und die Wut steigt unvermittelt in dir hoch? Gleichzeitig erwartet dein Umfeld, dass du die Trennung „endlich hinter dir lässt“, dich „neu orientierst“, es mit der Trauer um deine Beziehung „gut sein lässt“? Gefühle einfach an- und ausknipsen wie eine Lampe? Geht nicht. Was du stattdessen tun kannst, darüber sprechen Trennungscoach Christina Rinkl und Paarberaterin Vera Matt. 

Trauer und Wut nach einer Trennung – Wie gehe ich sinnvoll damit um?

„Trauer und Wut nach einer Trennung sind normal. In welchen Verhaltensweisen können sie sich zeigen?“ Paarberaterin Vera Matt bringt es auf den Punkt: „Jeder Mensch verarbeitet eine Trennung anders: Während die einen eher ihrer Trauer Ausdruck verleihen, sich zurückziehen, soziale Kontakte meiden, zeigen andere ihre Wut, indem sie über den Expartner oder die Expartnerin schimpfen, ihn oder sie vielleicht sogar anderen gegenüber schlecht machen oder in Rachephantasien schwelgen. Auch Schlafstörungen sind ein typisches Symptom in Trennungsphasen, ebenso wie das berühmte „Kopfkino“, dazu häufig Reizbarkeit, ein fast unbezwingbares Bedürfnis, über die Beziehung zu sprechen und manchmal auch der übermäßige Konsum von Alkohol, Nikotin oder auch Schokolade oder anderen Genussmitteln.“ Ebenfalls ein Klassiker: Ablenkung, sich also in Arbeit oder ein Hobby zu stürzen, womöglich bald schon eine neue Beziehung einzugehen. All das entspreche dem Wunsch, die eigenen Gefühle nicht zu stark zu spüren und erfülle damit durchaus einen Sinn, so die Paarberaterin. Denn letztlich schützten wir uns damit vor unseren Gefühlen zu einem Zeitpunkt, an dem wir ihrer Intensität (noch) nicht gewachsen seien. Unsere Kraft brauchen wir zu diesem Zeitpunkt oft tatsächlich, um unser Leben neu zu organisieren und überhaupt wieder Boden unter den Füßen zu gewinnen.

Auf lange Sicht sei Ablenkung aber wenig sinnvoll und verzögere eher den Verarbeitungsprozess einer Trennung, so Coach Christina Rinkl. Natürlich könne es guttun, Freunde zu treffen oder Sport zu treiben. Letztlich gehe es aber darum, sich den eigenen Gefühlen zu stellen. Dabei spiele gerade die Wut eine wichtige Rolle. „Vielen Frauen fällt es schwer, einen Zugang zu ihrer Wut zu finden, da dieses Gefühl in ihrer Kindheit häufig unerwünscht war“, so Christina Rinkl. Dabei sei Wut eine starke Energie, die uns auch mit Kraft versorge und uns dabei helfen könne, uns überhaupt erst einmal abzugrenzen und neu zu orientieren. Auch Paarberaterin Vera Matt betont, dass ein langanhaltendes Gefühl der Hilflosigkeit und Lethargie nach einer Trennung eher beunruhigend sei, als die irgendwann aufbrechenden starken Gefühle. Fühlen wir uns hilf- und hoffnungslos, ist das ein Zeichen, dass wir nicht glauben, an unserer Situation etwas ändern zu können. Das aber sei eigentlich immer der Fall. Unsere Wut könne uns helfen, aus der inneren Erstarrung heraus und wieder ins Handeln zu kommen. 

Wie schaffe ich es, aus dem Trennungsschmerz herauszukommen?

Der Prozess, eine Trennung zu überwinden, sei so individuell wie die Menschen, die sie in ihrer Arbeit begleite, so Paarberaterin Vera Matt. Wichtig sei: „Fragst du dich, ob du Hilfe brauchst, ist das meist ein gutes Signal, dir tatsächlich professionelle Unterstützung zu suchen. Du musst deinen Weg nicht alleine gehen. Ein Coach oder ein/e Berater:in kann dich motivieren, dir Fortschritte aufzeigen und dich auf deine eigene Kraft verweisen. Denn nach einer Trennung bist du in einer Lebenssituation, in der du Kraft, Unterstützung und ein gutes Netzwerk brauchst.“ Daher sei es auch sinnvoll, Menschen gegenüber, die dir wenig empathisch begegneten, klare Grenzen zu setzen. „Das kannst du tun, indem du zum Beispiel sagst: „Ich brauche Unterstützung, keine Urteile!“ Oder „Kannst du mir praktisch im Alltag helfen?“, so die Paarberaterin. Manchmal könne das auch bedeuten, zu Menschen, die uns Kraft rauben, klar auf Distanz zu gehen.  

Was ebenfalls hilft, sind Rituale, darin sind sich sowohl Trennungscoach Christina Rinkl, als auch Paarberaterin Vera Matt einig. Im Fall des Todes des Partners oder der Partnerin bietet unsere Kultur diverse Rituale an, wie wir dem Verlust begegnen können. Bei einer Trennung ist das viel weniger der Fall. Aber auch hier sei es notwendig, den eigenen starken Gefühlen Raum zu geben. Hilfreich sei, sich bewusst Zeit für die Trauer, aber auch die Wertschätzung der Ex-Partnerschaft zu nehmen, so Trennungscoach Christina Rinkl. Dies könne zum Beispiel in Form eines Briefes geschehen – den du auch nicht abzuschicken brauchst. Darin formulierst du, wovon du Abschied nimmst, aber auch, was dir aus der Beziehung erhalten bleibt. Zugleich kannst du dich fragen: Was lerne ich daraus? Und was war mein Anteil am Scheitern dieser Beziehung? Trauer und Wut dabei intensiv zu durchleben, sei ein wirkungsvoller Schritt, die gemachten Erfahrungen zu verarbeiten und ermögliche oft erst, die Beziehung wirklich loszulassen. 

Was mache ich, wenn ich meinen Ex-Partner ständig sehe? 

Durch gemeinsame Kinder wird ein echtes Abschiednehmen vom Expartner oder der Expartnerin erschwert. Zugleich sind die Begegnungen, die im Rahmen der Umgangsregelung stattfinden, häufig noch von großer (innerer) Spannung geprägt. Hier helfe es, so Trennungscoach Christina Rinkl, zu bedenken, dass die Übergabemomente oft die einzige Zeit seien, in der Kinder ihre getrenntlebenden Eltern gemeinsam erleben und damit wichtig für Eltern und Kinder. „Spürst du, dass deine Gefühle hoch zu kochen drohen, kann es helfen, innerlich einen Schritt zurückzutreten und zu versuchen, deinen Ex-Partner wie einen Kollegen zu sehen. So wirst du zumindest im Beisein deiner Kinder neutral bleiben können.“ Ebenfalls wichtig: Zeigen deine Kinder nach eurer Trennung starke Gefühle wie Wut, Trauer oder auch Abwehr, bestärke sie darin, dass sie diese Gefühle empfinden dürfen und bemühe dich möglichst darum, auch negative Gefühle nicht zu relativieren oder sofort von ihnen abzulenken. Es mag für dich selbst schmerzhaft sein, deine Kinder traurig oder wütend zu erleben. Aber letztlich hilfst du ihnen enorm, eure Trennung zu verarbeiten, indem du sie dabei begleitest. Wächst dir das alles über den Kopf, hole dir Unterstützung, zum Beispiel bei einer Familien- oder kinderpsychologischen Beratungsstelle. Und es könne für Kinder sogar tröstend sein, ihnen zu zeigen „Ja, ich bin selbst traurig!“, so Trennungscoach Christina Rinkl. Dabei solltest du ihnen aber vermitteln, dass du dich um dich selbst kümmerst und dass deine Kinder weder für die Trennung noch für dich Verantwortung tragen. Sich Hilfe zu suchen und das zu thematisieren, könne ein guter Weg sein, sowohl gut für sich, als auch für die eigenen Kinder zu sorgen. 

Und jetzt – Was kommt nach der Trennung?

Nicht umsonst gebe es nach einer Ehe das Trennungsjahr, so Coach Christina Rinkl. Eine Trennung zu verarbeiten brauche Zeit – erst recht, wenn sie von starken Gefühlen begleitet sei, zum Beispiel, weil einer der Partner den anderen hintergangen oder „aus heiterem Himmel“ vor vollendete Tatsachen gestellt habe. Vera Matt macht in diesem Zusammenhang auf vier typische Phasen aufmerksam, die Psychotherapeutin Elisabeth Kübler-Ross in Bezug auf Trauerprozesse formuliert hat: „Leugnung, Trauer und Wut, Verhandeln und schließlich Verzeihen und Loslassen sind nach einer Trennung normal“, so die Paarberaterin: „Manchmal durchleben wir diese Phasen sogar zeitgleich oder zumindest dicht nacheinander. Wir durchlaufen einen Anpassungsprozess an eine ganz neue Lebenssituation – die Seele braucht schlicht Zeit, um ihren Weg von A nach B zu gehen.“ Gerade als Alleinerziehende komme dazu oft noch die plötzlich drängende Frage der Kinderbetreuung, der beruflichen und finanziellen Einschränkungen oder auch des noch immer wahrnehmbaren gesellschaftlichen Stigmas, alleinerziehend zu sein. „Das alles musst du nach einer Trennung erst einmal verarbeiten. Helfen kann, sich bewusst zu machen, wofür du das alles auf dich nimmst, nämlich, um deinen Kindern ein authentisches Leben vorzuleben und gut für dich zu sorgen.“ Ebenso hilfreich könne sein, sich zu sagen: „Eine Trennung sagt nichts über dich aus, aber viel über eure Beziehung.“ Das Ende deiner Beziehung mag sich sehr schmerzhaft anfühlen, aber du hast doch die Möglichkeit, in Zukunft Dinge anders – und für dich besser – zu gestalten, dich zu fragen, was du selbst brauchst und wie du womöglich später eine neue Partnerschaft leben willst.

Und die anderen? Was tun, wenn dich scheinbar keiner versteht?

Egal, wie du mit deiner Trennung umgehst – es ist letztlich dein Weg, den andere von außen nur bedingt nachvollziehen können. „Ich brauche gute Freunde, nicht Kritiker:innen“, kann eine Erinnerung an dich selbst sein, mit der du dich in gesunder Weise von wenig kraftspendenden Menschen in deinem Umfeld abgrenzt. Dazu kann auch gehören, dass du klar entscheidest, wem du in welcher Form von den Dingen, die dich beschäftigen, erzählst, so Trennungscoach Christina Rinkl: „Nicht jeder hat für alles Verständnis und du brauchst auch nicht von jedem verstanden zu werden.“ Deine innere Heilung braucht Zeit und du darfst dir die Erlaubnis geben, sie in deinem Tempo zu durchleben. Wenn andere dir raten „es doch mal gut sein zu lassen“, kannst du ihnen antworten, dass du selbst dein Tempo bestimmst – in deinem Leben und auch im Fall einer Trennung. 

Wer ist die Expertinnen?

Christina Rinkl berät als Trennungscoach Frauen, Männer und Paare vor, während und nach der Trennung. Sie selbst ist getrennt erziehende Mutter zweier Söhne und hat als Kind die Trennung ihrer Eltern erlebt. In ihrer Arbeit ist ihr wichtig, Frauen in ihrer Selbstwirksamkeit zu bestärken und Chancen aufzuzeigen, die sich aus einer Trennung ergeben. www.trennungalschance.de

Vera Matt ist als Paartherapeutin tätig und berät Paare deutschlandweit in Beziehungsfragen. Ihre Arbeit ist durch Offenheit, Klarheit und Lösungsorientiertheit geprägt. Besonderen Fokus legt sie auf gelingende Kommunikation und macht diese oft zum Schwerpunkt ihrer Beratungen. www.paartherapeut-in.de

Wer schreibt?

Sarah Zöllner ist Journalistin, Bloggerin und Autorin für Familien- und Gesellschaftsthemen. Sie hat zwei Söhne im Kindergarten- und Grundschulalter. 2020 erschien ihr Buch „Alleinerziehend – und nun?“ Ihr zweites Buch „Mütter. Macht. Politik: Ein Aufruf!“ ist am 1.9.2023 im Magas-Verlag erschienen. www.sarahzoellner.com.

Von Sarah Zöllner