Kindergrundsicherung – was ist geplant und was bedeutet das für Alleinerziehende?

Die Ampel-Regierung hat am 28. August 2023 eine Einigung bei der Kindergrundsicherung erzielt. In mehrstündigen Verhandlungen vereinbarten Familienministerin Lisa Paus, Finanzminister Christian Lindner und Bundeskanzler Olaf Scholz entsprechende Eckpunkte.

Wir haben jene Inhalte, die für Alleinerziehende relevant werden könnten, einmal für euch zusammengefasst:

In der Kindergrundsicherung werden das bisherige Kindergeld als neuer einkommensunabhängiger Kindergarantiebetrag sowie Kinderzuschlag und SGB-II-Regelsätze als altersgestaffelter einkommensabhängiger Kinderzusatzbetrag gebündelt. Somit sollen künftig alle Leistungen für Kinder in einem System gebündelt und Kinder aus dem SGB II (Bürgergeld) herausgelöst werden. Das Bürgergeld bleibt als Auffangoption erhalten, sollte das soziokulturelle Existenzminimum des Kindes in Einzelfällen (Mehr-/Sonderbedarfe, Wohnkosten) nicht durch den Zusatzbetrag gedeckt werden können.

Was soll im Einzelnen kommen, insbesondere für Alleinerziehende?

 Anrechnungsregeln: 

Positiv für Alleinerziehende: 

  • Die Anrechnungsregeln für Einkommen werden vereinheitlicht. Um höhere Erwerbsanreize zu schaffen, soll  künftig ein höherer Anteil des Einkommens verbleiben können. Der Kinderzusatzbeitrag sieht eine Transferentzugsrate von 45 % vor (beim Bürgergeld /SGB II liegt sie gegenwärtig  zwischen 80 – 100%), d.h., vom zusätzlichen Einkommen darf mehr behalten werden – das hilft auch Alleinerziehenden, denn sehr viele von ihnen sind zwar erwerbstätig, müssen aber dennoch aufstocken – für die ist diese niedrigere Transferentzugsrate sehr wichtig.
  • Unterhaltsleistungen und Unterhaltsvorschuss werden bei der Bemessung des Kinderzusatzbetrages als Kindeseinkommen künftig zu 45 % berücksichtigt, wie das heute schon beim Kinderzuschlag der Fall ist. Davon profitieren die Kinder, die bisher Bürgergeld erhalten, da dort bisher 100% angerechnet werden. Ebenfalls positiv für viele Alleinerziehende, denn 34% der Alleinerziehenden bezogen 2021 SGB II-Leistungen.

Negativ: 

  • „Bei höheren Unterhaltsleistungen greifen höhere Anrechnungen, um Erwerbsanreize zu erhalten“, heißt es im Papier. In der Pressekonferenz wurde eine Transferentzugsrate von bis zu 75% bei höheren Unterhaltsleistungen angekündigt. Wie genau diese Staffelung von 45% bis 75% aussehen soll, ist offen. Fraglich ist, warum Kinder, deren getrennt lebende Elternteile besser verdienen und den Betrag zahlen, zu dem sie laut Düsseldorfer Tabelle verpflichtet sind, bestraft werden sollen. Es wäre fair, dass diese Kinder genau so wie die, deren getrennt lebende Elternteile weniger zahlen, am Lebensstandard des anderen Elternteils teilhaben dürfen. Es sollten hier die gleichen Anrechnungsregelungen gelten.
  • Der Unterhaltsvorschuss wird künftig bis zum Schuleintritt ohne Mindesteinkommensgrenze gezahlt und für Schulkinder ab einer Mindesteinkommensgrenze von 600 Euro. Das heißt, dass Alleinerziehende, die sich noch in Elternzeit befinden, arbeitslos sind oder nur einen Minijob haben, keinen Unterhaltsvorschuss für ihr Kind erhalten, sobald es zur Schule geht. Diese Regelung soll Erwerbsanreize für Alleinerziehende setzen – warum und was sie bringen soll, ist jedoch fraglich. Denn anders als Finanzminister Christian Lindner in der Pressekonferenz zur Kindergrundsicherung dargestellt hat, ist die Erwerbstätigkeit von Alleinerziehenden im letzten Jahrzehnt gestiegen.

    Laut Bundesagentur für Arbeit lag sie im Jahr 2010 bei 69%, im Jahr 2021 bei 74%. Alleinerziehende sind häufiger und in höherem Umfang erwerbstätig als Mütter in Paarfamilien. Sind sie nicht oder nur geringfügig erwerbstätig, so liegt das in den allermeisten Fällen an den Rahmenbedingungen: Nicht jeder Job ist mit der Erziehung und Betreuung von Kindern vereinbar und auch im Grundschulbereich und insbesondere den unteren Klassen der weiterführenden Schulen fehlt es massiv an guter Ganztagsbetreuung – diese wäre aber eine Voraussetzung dafür, umfänglich erwerbstätig zu sein. Das gleiche gilt für Aus- und Weiterbildung, die oft nicht in Teilzeit oder mit der entsprechenden Kinderbetreuung ausgestattet sind, so dass Alleinerziehende nur schwer auf qualifizierter Jobs umschulen oder eine Ausbildung bzw. ein  Studium beenden können, wenn sie Kinder im Kita- oder Grundschulalter haben. Schlussendlich sehen sie sich auch mit Diskriminierung am Arbeitsmarkt konfrontiert. Diese Probleme sollten vorrangig angegangen werden, wenn die Erwerbstätigkeit von Alleinerziehenden weiter ausgebaut werden soll.

    Hinzu kommt: Kindern den Unterhaltsvorschuss vorzuenthalten, – der ja das Geld ersetzen soll, das der Barunterhaltspflichtige nicht zahlt und das der Staat im übrigen von diesem auch zurückfordern könnte –, nur weil der betreuende Elternteil kein ausreichendes Einkommen hat, erschließt sich auch aus Sicht der Kinder nicht. Kinder können nichts für ihre familiäre Situation und sollten daher alle gleich behandelt werden. Hier sollte der Staat lieber mehr Energie dafür aufwenden, die Gründe des nicht gezahlten Unterhalts zu erforschen und ihn effektiver von den Unterhaltspflichtigen zurückzufordern.


Bildungs- und Teilhabepaket (BuT):

Die pauschalierbaren Leistungen aus dem BuT (15 Euro Teilhabebetrag sowie Schulstarterpaket) sollen nun doch nicht, wie es die Idee von Familienministerin Paus war, automatisch mit in die Kindergrundsicherung einfließen und somit den Maximalbetrag der Kindergrundsicherung erhöhen. Nun sollen sie lediglich „einfacher zu beantragen sein“. Wie das gehen soll, bleibt offen. Gerade aus Sicht von Alleinerziehenden ist jeder zusätzlich zu stellende Antrag, jede zusätzliche Information, die sie über solche Leistungen recherchieren und verstehen müssen, eine Belastung, da sie sowieso schon meist die komplette Verantwortung für die Kinder, Haushalt und Job alleine tragen und unter Dauerstress und Druck leiden. Jeder zusätzliche Termin belastet ihr Zeitmanagement und ist daher ggf. ein Termin zu viel – zulasten der Kinder, die dann weniger Zeit mit ihrem Elternteil haben oder am Ende nicht von den ihnen zustehenden Mitteln profitieren, weil die Eltern sie aus einer Überforderung oder aus Unwissen heraus nicht beantragen.  Das zu entwickelnde „Kinderchancenportal“, mit Hilfe dessen Beantragung und Information leichter werden soll, steht noch in den Sternen und wird vermutlich nicht zeitnah umzusetzen sein.

Neuberechnung des soziokulturellen Existenzminimums

Das soziokulturelle Existenzminimum soll – wie im Koalitionsvergrag vereinbart – neu bemessen werden. 

Positiv ist: In der Folge könnten sich die Regelbedarfe im Kinderzusatzbetrag erhöhen. Der befristete Sofortzuschlag für Familien (20 Euro) wird in der Neuberechnung aufgehen. Immerhin wird so sichergestellt, dass es durch die Zusammenführung unterschiedlicher Unterstützungsleistungen zu keiner Verschlechterung kommen kann. 

Aber: Es wird vermutlich auch keine echte Verbesserung für Kinder kommen, die dringend nötig wäre: Denn aus Studien wissen wir, dass die derzeitigen Leistungen nicht ausreichen, um Kindern und Jugendlichen soziale Teilhabe und gesundes Aufwachsen (wie etwa gesunde Ernährung) zu gewährleisten. 

Von Sara Buschmann