Lieber Herr Buschmann, ich habe Fragen!
Mein Name ist Buschmann, Sara Buschmann. Mit Marco Buschmann unserem Justizminister von der FDP habe ich nichts zu tun, außer, dass ich alleinerziehend bin — und mich seine Politik betrifft.
Neben meiner hauptberuflichen Tätigkeit für eine große PR-Agentur habe ich ehrenamtlich SOLOMÜTTER gegründet. SOLOMÜTTER ist eine gemeinnützige Organisation, die sich für eine Gesellschaft einsetzt, in der Alleinerziehende und ihre Kinder als Familienform mitgedacht und nicht mehr diskriminiert werden.
Am Wochenende schlug Marco Buschmann eine Reform des Unterhaltsrechts vor. Er will, dass bei der Berechnung von Unterhaltsansprüchen stärker als bisher berücksichtigt wird, wer sich wie viel um sein Kind oder seine Kinder kümmert. Übernimmt ein Elternteil beispielsweise 30 Prozent der Betreuungszeit, soll er nach Buschmanns Vorschlag bei einem Einkommen von rund 4.000 Euro monatlich künftig rund 100 Euro vom Kindesunterhalt einbehalten dürfen.
Das klingt auf den ersten Blick gerecht – geteilte Betreuungszeit, geteiltes Geld. Schaut man sich aber die Lebensrealität von Alleinerziehenden an, trügt dieser Eindruck gewaltig.
Schon heute sind Alleinerziehende – neben kinderreichen Familien mit mehr als drei Kindern – die am stärksten von Armut betroffene Familienform. Rund 43 Prozent aller Alleinerziehenden sind einkommensarm. Und das liegt nicht zuletzt daran, dass zu wenig oder gar kein Kindesunterhalt gezahlt wird. Denn: Studien zufolge erhalten nur rund 25 Prozent der Kinder in Deutschland überhaupt den Mindestunterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass 75 Prozent der Kinder zu wenig oder gar kein Geld vom Barunterhaltspflichtigen erhalten.
Wer jetzt denkt, dass dieses Thema nur einige wenige angeht, der irrt: Denn fehlende Unterhaltszahlungen werden (zumindest teilweise) vom Staat in Form des Unterhaltsvorschusses ausgeglichen und somit von der Allgemeinheit, also allen Steuerzahlern in Deutschland, gemeinsam getragen. Eine Reform DIESES Missstandes wäre dringend notwendig, um Ungerechtigkeiten und Kinderarmut zu bekämpfen – und nicht zuletzt, um dem Staat Ausgaben in Höhe von rund 2,5 Milliarden Euro zu ersparen. Übrigens: Nur 10 Prozent dieser Kosten treibt der Staat im Anschluss mit großem Aufwand von den Unterhaltspflichtigen wieder ein. Andere Länder sind da deutlich rigoroser: So kann in Großbritannien, Kanada und einigen US-Bundesstaaten bei Verletzung der Unterhaltspflicht der Führerschein entzogen werden. Ähnliches gilt in anderen Ländern für Angel- oder Jagdscheine.
Meine erste Frage lautet daher, lieber Marco Buschmann: Wie lösen Sie dieses Problem? Wie motivieren Sie die rund 75 Prozent der Unterhaltspflichtigen, die derzeit unregelmäßig, zu wenig oder gar keinen Unterhalt zahlen?
Schauen wir mal weiter: 88 Prozent der Alleinerziehenden sind aktuell Frauen. Das ist eine Folge der gelebten Betreuungssituation, die während der Partnerschaft bestand und auf die sich die Paare gemeinsam geeinigt haben, als sie Kinder bekamen. Obwohl es heute bereits viele gute Möglichkeiten für Väter gibt, den Familienalltag aktiv mitzugestalten, ist Care-Arbeit in den meisten Fällen noch immer Frauensache. Nur 26 Prozent der Väter gehen in Elternzeit und diese dauert im Durchschnitt lediglich 3,6 Monate. Frauen nehmen dagegen durchschnittlich 14,6 Monate in Anspruch. Ein weiteres Beispiel: Nur 7 Prozent der Väter arbeiten Teilzeit, aber 66 Prozent der Mütter.
Diese Zahlen zeigen, dass viele Väter in Paarkonstellationen immer noch der Meinung sind, Kinder und Care-Arbeit seien Frauensache. Entsprechend gering ist ihre Motivation, sich im Alltag regelmäßig und umfassend um die eigenen Kinder zu kümmern, solange die Ehe oder Partnerschaft intakt scheint. Kommt es jedoch zu einer Trennung, ändert sich diese Einstellung komischerweise. Da drängt sich der Gedanke auf, dass dies nicht zuletzt auch am Geld liegen könnte, das z.B. durch ein Wechselmodell oder eben zukünftig auch durch die Buschmann’sche Reform auf Väterseite eingespart werden kann. Es darf aber keinen Interessenkonflikt zwischen Umgang und Existenzsicherung geben, denn darunter leiden in erster Linie die Kinder.
Also, Herr Buschmann, wann motivieren Sie Deutschlands Väter sich schon VOR einer Trennung, mehr um die eigenen Kinder zu kümmern?
Care-arbeitende Väter wären gesamtgesellschaftlich gesehen nämlich eine echt tolle Sache. Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern könnten ausgeglichen und die finanzielle Situation von Frauen und Müttern stabiler und gerechter werden. Das wäre auch im Trennungsfall von Vorteil – für beide Elternteile. Denn noch immer ist das Lebenserwerbseinkommen von Frauen nur halb so hoch wie das von Männern. Verheiratete Mütter haben im Durchschnitt rund 25 Prozent mehr als Alleinerziehende. Der Gender-Pay-Gap, also der Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen, liegt derzeit bei 18 Prozent und ein Großteil der Niedriglohnjobs wird fast ausschließlich von Frauen ausgeübt.
Wann, Herr Buschmann, schaffen Sie endlich Fairness zwischen den Geschlechtern und paritätische Arbeitsbedingungen für Männer und Frauen?
Kommen wir noch einmal auf den Gedanken der gerechten Aufteilung zurück: Derzeit können barunterhaltspflichtige Eltern immer genau 50 Prozent des Kindergeldes vom Unterhalt abziehen und auch beim Corona-Kinderbonus galt diese 50:50-Regelung – völlig unabhängig vom Betreuungsumfang der jeweiligen Elternteile.
Wollen Sie das abzugsfähige Kindergeld dann ab sofort auch prozentual verteilen, Herr Buschmann? Und bekommen Elternteile, die gar nicht (mit-)betreuen, dann auch kein Kindergeld mehr bzw. können sie dieses nicht mehr abziehen? Und teilen wir perspektivisch auch die Kinderfreibeträge nach Betreuungszeiten auf?
Unterhaltszahlungen und Leistungen, die an bestimmte Gegenleistungen geknüpft sind, sind schon heute oft ein Machtinstrument – meist von Männern über Frauen und Kinder. Ökonomische Abhängigkeit und erzwungene Umgangskontakte sind eine bekannte Form von Nachtrennungsgewalt – und diese bekommt unser Staat nicht in den Griff. Im Gegenteil: Die Gewalt nimmt wieder zu. Jede Stunde werden mehr als 14 Frauen Opfer von Partnerschaftsgewalt und jeden Tag versucht ein Partner oder Ex-Partner eine Frau zu töten.
Was tun Sie, Herr Buschmann, um insbesondere Frauen mit ihren Kindern vor der Gewalt ihrer Ex-Partner zu schützen?
Es gibt viel zu tun. Wenn Sie also ernsthaft an einer nachhaltigen und für alle Beteiligten fairen Reform des Unterhaltsrechts interessiert sind, statt an kurzfristigen Schönheitsreparaturen mit einem Malen-nach-Zahlen-Pinsel für Ihre Stammwählerschaft, dann beantworten Sie doch bitte erst einmal diese wirklich wichtigen Fragestellungen, bevor Sie mit dem Klein-Klein für einige Wenige beginnen.
Denn Fairness ist laut Duden „anständiges Verhalten“ und eine „gerechte, ehrliche Haltung anderen gegenüber“.
Ich bin alleinerziehende Mutter und stehe als SOLOMÜTTER-Gründerin für eine sehr aktive, politisch interessierte Gemeinschaft von rund 11.000 Alleinerziehenden. Einer eigenen Umfrage zufolge finden nur 3 Prozent unserer Community Ihre Reformvorschläge „fair“.
Was sagen Sie dazu, Herr Buschmann? Sprechen Sie manchmal auch mit Betroffenen außerhalb Ihrer Buddy-Bubble? Ich lade Sie herzlich auf ein Telefongespräch ein. In diesem werde ich Sie übrigens auch fragen, wie Sie all Ihre Reformpläne umsetzen und – vor allem – kontrollieren möchten. Planen Sie großflächige Stellenschaffungen in Ihrer Behörde?
Herzliche Grüße Ihre Sara Buschmann
Von SOLOMÜTTER-Gründerin Sara Buschmann