Wenn die Kinder 18 sind, mache ich Champagner auf #5
Du hast dir halt den falschen Vater für deine Kinder ausgesucht!
Nein, das habe ich nicht. Und dieser Satz ist eine Unverschämtheit, auf so vielen Ebenen – vor allem aber gegenüber meinen Kindern. An meinen Kindern ist nichts falsch, und sie sind gemeinsam gezeugt worden; sie begreifen sich, bei allen Differenzen mit dem Vater, als irgendwo zu ihm gehörig und natürlich auch von ihm abstammend. Die Hälfte von ihnen, den Kindern, als „falsch“ zu bezeichnen, zeugt von unfassbarer Empathielosigkeit. Es tut ihnen selbst genug weh, diesen Vater zu haben, nicht einen anderen, der sich liebevoll um sie kümmert und für sie da ist. Deswegen ist das Letzte, was von außen kommen sollte, ein zusätzliches Bohren in dieser Wunde. Sag das einfach nicht.
Und sag es auch nicht, weil es völlig verkennt, dass niemand zu Beginn einer Beziehung weiß, wie sie sich entwickelt, insbesondere, wenn dann irgendwann Kinder geboren werden. Kinder und manchmal auch Schicksalsschläge stellen alles auf den Kopf, und auch wenn du glücklich verheiratet bist und ebenfalls Kinder hast, steht es dir nicht zu, darüber zu richten, ob jemand anders Pech bei der Partnerwahl hatte oder, und das sagst du eigentlich mit diesem Satz, du hingegen alles richtig gemacht hast. Denn die Partnerwahl ist dir geglückt, jemand anders hingegen offenbar nicht – es ist nichts als Abwertung, was dieser Satz transportiert. Dahinter steckt das Bedürfnis, dich abzugrenzen von den gescheiterten Kreaturen, die nun als Alleinerziehende leben, und deren Expartner eine Niete ist. Dir kann das nicht passieren, du hast ja den richtigen Vater für die Kinder ausgesucht. Glaubst du.
Aber hast du damals wirklich einen „Vater“ ausgesucht? Sucht man nicht in erster Linie einen Partner, falls die Suche überhaupt aktiv angegangen wird? Oder passiert die Liebe einfach, und man kann sich zu einem gewissen Zeitpunkt des Lebens mit einem gewissen Menschen vorstellen, Kinder zu bekommen? Ich jedenfalls habe mir keinen Vater ausgesucht, sondern eine Liebe, mit der ich eine Zukunft haben wollte. Dass das nicht geklappt hat, war für uns beide schwierig, vor allem aber für die Kinder verheerend. Nicht, weil er der falsche Vater war, sondern weil er sich nach der Trennung unerwachsen und miserabel verhalten hat.
Das alles hätte ich vor der Trennung schon wissen sollen, meinst du? Nope. Den wahren Charakter eines Menschen erkennst man erst nach der Trennung. Das wissen alle getrennten Mütter, und vielleicht gehörst auch du irgendwann dazu.
Ah, du bist gar keine Mutter? Umso krasser, dass du meinst, dich äußern zu müssen. Schweige lieber still. Und falls du ein Mann bist, einer von denen, die im Internet fieses Zeugs kommentieren, wenn Alleinerziehende sich äußern, dann sei gewiss, dass mir klar ist: Du sagst das, weil der Neid dich zerfrisst. Du hast keine Kinder, die Frauen lassen dich links liegen, und hey, da fühlt man sich gleich besser, wenn man einer Frau sagen kann, sie habe die falsche Wahl getroffen. Schließlich hätte sie ja dich wählen können, nicht wahr!?
Und obwohl mir das alles klar ist, weil ich diesen unsäglichen Satz unzählige Male gehört habe, weiß ich nicht, was ich darauf antworten kann, wenn er kommt. Er verschlägt mir einfach jedes Mal die Sprache. Mehr als ein Schulterzucken und Seufzen vermag ich dir nicht zu entgegnen. Früher habe ich zustimmend „Tja“ gesagt, aber das kommt mir mittlerweile falsch vor. Nicht meine Kinder sind falsch, weil ihr Vater falsch war, sondern dieser Satz ist falsch! Und wenn ihn überhaupt irgendjemand sagen darf, dann die Kinder selbst. Die richtige Antwort darauf ans Kind ist übrigens: „Aber nein. Und ich bin froh, dass du da bist.“
Von Christine Finke