Wenn die Kinder 18 sind, mache ich Champagner auf #4

Endlich Zeit für Dinge, die nicht wichtig sind!

Ich hab‘ jetzt Zeit. Ich meine nicht die Zeit, die man sich aus den Rippen schneidet, um eine Stunde ins Schwimmbad zu gehen, um direkt vor der Umkleide und nach dem Abtrocknen nochmal aufs Handy zu schauen, ob das Kind etwas von einem wollte oder die Schule angerufen hat. Nicht die Zeit, um schnell in der Stadt Geschenke für den nächsten Kindergeburtstag zu besorgen, und auch nicht die Zeit, die frau sich nimmt, um einmal im Jahr zum Frisör zugehen, damit sie nicht aussieht wie ein Schlumpf.

Nach vielen Jahren des Alleinerziehens, in denen ich nicht wusste, wo mir der Kopf stand und ich immer abwägen musste, was ich priorisiere (somit gleichzeitig, was hinten runterfällt), habe ich jetzt endlich Zeit. Es hat auch lange genug gedauert, ich bin seit 22 Jahren Mutter und seit 13 Jahren alleinerziehend.

Jetzt aber, und das genieße ich sehr, habe ich das Gefühl, endlich ausatmen zu können. Mein Leben ist nicht entspannt, ich bin auch nicht frei, aber ich bin trotz der Einschränkungen als pflegende Angehörige (eins meiner Kinder ist behindert) zeitlich weniger fremdbestimmt. So etwas kommt natürlich schleichend, nicht über Nacht. Aufgefallen ist es mir daran, dass ich in den letzten Wochen mit großer Freude begonnen habe, reine Schönheitsreparaturen, und damit meine ich vorwiegend Säuberungsarbeiten im Haushalt, die nicht unbedingt notwendig sind, vorzunehmen. So habe ich die Duscharmaturen mit Zitronensäure behandelt und eine geradezu alberne Befriedigung verspürt, als diese nach 10 Jahren, die wir in dieser Wohnung wohnen, wieder strahlten, als seien sie neu. Gleiches mit den Duschabtrennwänden, die sind wirklich wieder durchsichtig, es ist unglaublich! Weiter ging’s ein paar Tage später mit dem Versuch, die Silkonfugen in der Dusche wieder weiß zu bekommen – und siehe da, der im Internet gefundene Tipp, es mit einer Paste aus Backpulver und Wasser zu versuchen, funktioniert ganz wunderbar. Ich habe auch vor kurzem die Ränder an der Türe der Geschirrspülmaschine gründlich gesäubert, die ist nun kein Anblick des Grauens mehr, sondern makellos wie bei meiner Schwiegermutter. Der Werkzeugkasten, in dem noch verrostetes Werkzeug von meinem Exmann lag, ist seit einigen Tagen aufgeräumt – jetzt sind darin nur noch Dinge, von denen ich weiß, wofür man sie benutzt, und die ich auch brauchen kann.

Was ich da gerade mache, ist der reine Luxus. Jahrelang war ich abends zu erschöpft, um noch zu telefonieren, ein Buch zu lesen oder gar den Haushalt zu machen – ich bin in den ersten Jahren des Alleinerziehens sehr oft mit den Kindern schon direkt nach der Tagesschau ins Bett gefallen. Natürlich ohne die Tagesschau zu gucken, denn die ist nicht kindgerecht. Mein Fernsehprogramm bestand aus Sandmännchen, Thomas, die Lokomotive, und Bob, der Baumeister; an Tatort gucken, ins Kino gehen oder gar eine Party zu besuchen war nicht zu denken. Auch das kann ich heute wieder, aber so richtig packend finde ich den Krimi gar nicht mehr, ich schaue ihn nur selten bis zum Schluss. Trotzdem – ich könnte.

Ich habe wieder die Wahl, und das fühlt sich großartig an. Wie viele Jahre ich zurückgesteckt habe, ich mag eigentlich gar nicht daran denken, und wie schwer mir das gefallen ist, auch wenn ich wusste, es gibt keine Alternative und da muss ich jetzt durch!

Die Freiheiten, die ich habe, sind immer noch lächerlich klein im Vergleich zu denen, die Menschen ohne Kinder haben, oder Menschen mit Partner, oder Menschen mit tatkräftiger Unterstützung und Geld. Ich mache keine Städtereisen allein oder mit Freundinnen, so wie andere Frauen in meinem Alter, und ich habe weder Lust noch Energie für Dates übrig. Vielleicht kommt auch das wieder, im Laufe der Jahre? Es scheint mir zumindest jetzt wieder denkbar. Aber ich hab’s nicht eilig damit, ich habe nämlich Zeit. 

Von Christine Finke