Ist doch schön, dass er dich unterstützt

„Hey, H* muss noch ein Wichtelgeschenk für C* besorgen nächste Woche. Nur, damit du es nicht vergisst“, schrieb der Kindsvater aus dem Papawochende heraus per WhatsApp an mich.

Während ich relativ schnell – nach meiner ersten Schrecksekunde von „Oh scheiße, ich hab was vergessen!“ über reflexartig empfundene Dankbarkeit „Ein Glück denkt er mit!“ – zu der Erkenntnis komme, dass weder das eine, noch das andere angemessen ist, sehe ich den Vater meiner Kinder vor meinem inneren Auge, wie er – zufrieden mit seinem überdurchschnittlichen Engagement – einen Haken hinter das Wichtelthema macht.

Ich merke, wie wütend ich werde und gleichzeitig, wie sehr mich die Energie dieser Wut erschöpft und sie abflachen lässt zu einer vor sich hin gärenden Missmutigkeit und Resignation. Parallel fange ich an, nachhaltige Geschenke für 7-Jährige zwischen 5-10 Euro zu googeln.

Wie viele Wichtelgeschenke, Schulmaterialien, Geburtstagsgeschenke, passende Schuhe, Arzttermine und Beratungsgespräche, Impfungen, U-Untersuchungen, Verabredungen, passende saisonale Klamotten, neue Brotdosen, Sankt-Martin-Leuchtstäbe, Ferienprogrammanmeldungen, Elternsprechtage, Trainingszeiten in Sportvereinen und Schulfotografietermine habe ich bisher vergessen, dass diese Erinnerungen irgendwie nötig erscheint? Und wie unsichtbar ist diese seit 10 Jahren bestehende Verlässlichkeit offensichtlich, wenn der Vater meiner Kinder als engagiert gilt, weil er mich an eines von diesen Dingen erinnert?

Ich weiß, in diesem Fall fehlt der Teil, wo irgendjemand im Außen bestätigt, dass das doch eine großartige Hilfe sei. Irgendeine Freundin, Oma oder Tante, die sagt „Naja, sei doch froh, dass er da auch dran denkt. Ist doch schön, dass er dich unterstützt.“ Es ist Teil des Problems, dass ich mittlerweile über meine Wut in solchen Situationen nicht mehr spreche, weil ich mich dann in Diskussionen über meine vermeintliche Undankbarkeit erstmal so tief durchs Patriarchat und zurück zu dieser konkreten Situation kämpfen müsste, dass es mir dann wahrscheinlich tatsächlich passieren würde, dass ich mal kein Wichtelgeschenk bestelle. Und zack – wäre meine Fehlbarkeit bestätigt.

So wenig ich mir als alleinerziehende Mutter solch einen eklatanten Fehltritt leisten kann, so sehr würde er bestätigen, was für ein Glück ich mit einem Kindsvater habe, der solchen Unpässlichkeiten zuvorkommt.

Zugegeben ist dieses Wichtelgeschenk ein wenig aufregendes Beispiel für diese Strukturen. Aber für mehr Aufregung fehlt mir tatsächlich schlicht die Energie. Und gleichzeitig finde ich es so bezeichnend, dass sich selbst in diesen kleinen Interaktionen zwischen heteronormativ sozialisierten Elternteilen diese Muster zeigen, welche sich 1:1 auf ungefähr jede andere Situation übertragen lassen, in der es darum geht, wer die tatsächliche Verantwortung in einer per Gesetz gleichberechtigten Sorge um Kinder trägt.

Wer wird in die Verantwortung dafür genommen, ob diese gelingt? Wer ist Schuld, wenn es eine Situation gibt, in der es mal nicht rund läuft? Eigentlich rhetorische Frage, aber – falls dennoch unklar – natürlich die Mutter. 

Und wer hat jederzeit Gelegenheit, sein Engagement durch Zurufe von der unterstützenden Seitenlinie ausreichend zu bekunden und dafür beklatscht zu werden? Wer hat jederzeit Gelegenheit, durch einmalige Intervention zu beweisen, dass er durch seinen heldenhaften Einsatz zum einen die Mutter vor dem möglichen Scheitern an ihrer Rolle und gleichzeitig noch die Kinder vor einer unangenehmen Situation bewahrt? Natürlich der Vater.

Eigentlich kann ich die Beschreibungen solcher wirklich lächerlich kleinen Situationen selbst nicht mehr lesen, andererseits merke ich, wie sehr gerade diese kleinen, nebenher stattfindenden Momente der absoluten Ungleichheit mir meine Energie rauben. Wie sie mich immer unsichtbarer werden lassen, indem ich ihnen nichts entgegensetze. Wie ich für meine Kinder eine müde, genervte und angestrengte Mutter werde und das, obwohl der Papa sie doch so schön unterstützt.

Ich bin es so leid, ernsthaft einen Moment der Angst zu entwicklen, weil ich aufgrund eines Wichtelgeschenks als unzureichende Mutter bewertet werden könnte, während dasselbe Geschenk dem Vater derselben Kinder als Gelegenheit dient, zu glänzen.

Und vor allem bin ich es leid, darüber nachzudenken, ob eine solche Situation es wert ist, darüber zu schreiben, vor dem Hintergrund, dass die Summe dieser Ungleichheiten mich in einen immer weniger für mich leistbaren Kampf gegen Erschöpfung, Resignation und Mutlosigkeit drängt.

Dieses Wichtelgeschenk zeichnet für mich sichtbarer als jedes Buch über das Patriarchat, selbiges nach. Die Herrschaft und Kontrolle der Väter darüber, ob die ihnen untergeordneten Mütter ihren Job richtig machen. 

Über die Autorin

Hannah Simon ist Studentin und arbeitet als Pflegefachkraft im Sozialdienst. Sie lebt mit ihren beiden Kindern alleinerziehend im Ruhrgebiet.

Nachdem die drei aus ihrem Einfamilienhaus-Elfenbeinturm geklettert sind, erproben sie sich an unterschiedlichen Formen des Zusammenlebens auf wenigen Quadratmetern – und sind dabei mal mehr, mal weniger erfolgreich.

Wohlmerkend, wie sehr Hannahs Kinder noch am Konzept der klassischen Kleinfamilie hängen, versucht sie, Alternativen zu schaffen, um unabhängig von diesem Konzept Gemeinschaft zu (er-)leben. „Dabei spüre ich, welche Widerstände Gedanken abseits der normativen Muster bei vielen hervorrufen“, so die 36-Jährige.

Um sich ihre eigene Klarheit zu bewahren, schreibt Hannah Texte. „Es ist meine Art, Gedanken zu sortieren und da zu bleiben, wo ich zuvorderst mit meinen Kindern, am liebsten aber mit allen, sein möchte. In Verbundenheit und Solidarität.“

Von Hannah Simon