Kauft Pizza – falls ihr es euch leisten könnt.

Bevor ich mit dieser Kolumne anfange, muss ich euch erstmal sagen, dass ich heimlich denke, dass es sich gar nicht lohnt, Erziehungstipps zu geben. Die Berufsbezeichnungen „Elterncoach“ oder „Erziehungscoach“ oder auch „Parenting Guru“ könnten von mir aus komplett abgeschafft werden, denn die traurige Wahrheit ist, dass der wichtigste Erziehungstipp lautet: „Sei nicht arm!“

Der wichtigste, aber auch der schwierigste, fast unerreichbarste, wenn man erstmal in der Armut angekommen ist. Mit genug Geld, verschwinden viele, viele Probleme – und die, die doch bleiben, werden eigentlich nur zu Herausforderungen statt zu richtigen Schwierigkeiten.

Glaubt ihr mir nicht? Doch, doch.

Bist du gerade überfordert von der Hausarbeit? Stelle eine Putzfrau ein und gehe mit deinem Kind auf den Spielplatz.

Ist es schwierig für dich, berufliche Termine mit den Terminen der Kinder zu vereinbaren? Stelle eine Teilzeitnanny an. (Merkt ihr übrigens, dass ihr eure Arbeitsstunden flexibler arrangieren könnt, je mehr ihr verdient?)

Deine Mutter-Kind-Kur wurde nicht bewilligt? Total schade, aber wie wäre es mit einem Wochenende in Tropical Islands?

Das, worüber sich Menschen, die nie Geldmangel erlebt haben, keine Gedanken machen, ist wie Geldmangel deine Psyche beeinflusst und wie dein Gefühl von Freiheit dadurch eingeschränkt wird: Man ist einfach nicht frei, wenn das Geld knapp ist.

Ich erinnere mich an einen Besuch im Tierpark, als mein Kind klein war. Ich war gerade keine Hartz-IV-Mama mehr, sondern eine festangestellte Alleinerziehende, die eigentlich fast weniger hatte als jemand, der von ALG-II lebte, da ich jetzt den vollen Preis zahlen musste – in Zoos, Museen, bei der U-Bahn, usw. Mein Schock an der Kasse als ich den Eintrittspreis erfuhr, dann meine Panik bei der WC-Frau, die von mir wollte, dass ich zweimal bezahle, meine Verzweiflung, als das Kind zu lange auf dem Spielplatz bleiben und nicht genug Tiere anschauen wollte, und dann – am Ende –  meine Wut, als er lieber Hunde statt Affen oder Raubtiere anschauen wollte. 

Ja, ich war keine gute Mama, aber es ist trotzdem sinnlos zu sagen, dass ich meine Einstellung hätte verändern sollen. Ja, hätte ich schon, aber Einstellung, dieses Gefühl von Beklemmung, wäre auch von alleine weggegangen, wenn ich damals mehr Geld gehabt hätte.

Jetzt jedoch zum eigentlichen Thema: Es gibt eine Sache, bei der ich denke, dass ich als Mama eines vierjährigen und eines 17-jährigen Kindes, ganz gute Ratschläge geben kann: der Abend nach dem Papa-Tag.

Als mein Jetzt-Teenager noch ein Kleinkind war, war unser Leben stressig und chaotisch. Ich musste immer zwei oder drei Tage in der Woche bis 20 oder sogar 21 Uhr arbeiten. Noch dazu hatte ich angefangen bei Lesebühnen oder Poetry Slams aufzutreten. Unser Leben hatte wenig Routine – und an den Abenden nach dem Papa-Tag waren wir oft super gestresst. Mein Sohn kam nach Hause und dann mussten wir auch schon zu Freundinnen, bei denen er pennen sollte, oder meine Mitbewohnerin sollte aufpassen, weil ich los und zur Arbeit musste. Wir mussten schnell essen, schnell duschen, schnell in die U-Bahn oder schnell ins Bett. Und das Kind spielte oft einfach nicht mit: viele Wutanfälle, viele Meltdowns – übrigens von uns beiden. Es war der Horror.

Beim zweiten Kind habe ich gelernt, es besser zu machen. Denn was mir klar geworden ist: Bei jedem Wechsel von Papas Haus zurück in Mamas Haus verarbeiten die Kinder den ganzen Stress, das ganze Trauma und die ganze Anstrengung der Trennung. Deswegen sollte man versuchen, diese Wechsel so leicht wie möglich zu gestalten, so leicht wie möglich, so fucking, fucking leicht wie möglich.

Ein großer Vorteil für uns: Wir haben jetzt einen festen Plan, wenn er zum Papa geht. Damit will ich übrigens nicht sagen, dass Eltern, die sich gut verstehen, nicht flexibler und spontaner sein dürfen. Das klappt bei meiner Freundin Katja zum Beispiel prima. Sie wohnt mit ihrem Ex im selben Haus und ihr Kind darf mehr oder weniger frei entscheiden, wo es hin geht. Für uns hingegen ist es wirklich hilfreich, einen sehr festen Plan zu haben. Jetzt kann ich gut kalkulieren, dass ich am ersten Abend, an dem wir wieder zusammen sind, keine Auftritte zusage und zuhause bleiben kann. 

Und dann mache ich es uns so fucking leicht wie möglich. Und ich meine damit: so fucking leicht wie möglich. Leicht und easy. Pippileicht, aber dieses sehr, sehr helle Pippi, das fast wie Wasser aussieht. Easy-peasy lemon-squeezy. 

Ich weiß was ihr denkt. Ihr denkt jetzt: „Ja, das ist eine gute Idee, leicht und easy nach dem Papa-Tag. Mache ich auch immer.“ Aber: Nee, nee, nee. Ich meine NOCH LEICHTER ALS DAS. So wie du es jetzt machst, nur noch tausendmal einfacher. Schraube deine Erwartungen an dich selbst und an deine Kinder runter und runter und runter und runter. Mach Ausnahmen. Mach es dir leicht. 

Man sollte grundsätzlich nicht kochen an dem Abend nach dem Papa-Tag: Ich koche nie, ich bestelle Pizza – oder mache deutsches Abendbrot oder Hawaiitoast oder vielleicht Sandwiches. Fernsehen ist erlaubt, so viel wie möglich eigentlich. Badewannen sind immer gut zum Entspannen – man kann eine richtig spaßige Bath-Time machen mit viel Badeschaum und beruhigender Musik. Und vielen Geschichten, wenn das Kind das will. Ich persönlich finde es auch vollkommen okay, am Tag nach dem Papa-Tag zusammen einzuschlafen. 

Ihr werdet selbst Ideen haben, wie man diese Abende so ruhig und entspannt wie möglich gestalten kann. Eine sehr kreative alleinerziehende Freundin von mir, Natasha, erlaubt an diesen Abenden immer, dass ihre Kinder Nudeln in der Badewanne essen. Eine andere Freundin von mir schläft dann immer mit den Kindern ein – um sieben Uhr. Und ich? Ich bestelle eben immer Pizza, wenn das Budget dafür reicht. 

Sei sanft mit euren Kindern an diesem Abend. Lass sie sich ein bisschen ausrasten, wenn sie es müssen. Sei sanft mit euch selbst. Wir leben in einer Gesellschaft, die Alleinerziehenden die Schuld an der Trennung gibt, eine Gesellschaft, die die Alleinerziehenden für die Trennung bestraft und verurteilt. Aber genau deswegen, weil es leider nicht nur eine frauenfeindliche, konservative Fantasie ist, dass manche Kinder an der Trennung leiden, brauchen unsere Kinder, und wir selbst, am Tag nach dem Papa-Tag: Verständnis, Ruhe, Entspannung und Zartheit – und natürlich so viele Pizzen wie möglich. 

 

Von Jacinta Nandi