Traummann mit Anhang
Als unsere Gründerin ihren Text zum Thema „Familie on Demand“ geschrieben hat, wollte sie auch andere Blickwinkel auf die Situation „Alleinerziehend auf Partner:innensuche“ zulassen. Marita erzählt, wie es sich anfühlt einen Vater zu daten und kennenzulernen.
Hallo, ich bin die neue Frau. Als ich meinen Mann kennengelernt habe, hatte er schon einen Sohn von anderthalb Jahren. Er lebte (wie 95% der Trennungskinder) hauptsächlich bei seiner Mutter und war jedes zweite Wochenende bei uns. Ich sage bewusst “uns”, denn wir sind nur wenige Monate nach unserem Kennenlernen zusammengezogen. Ab da musste ich mich mit dem Gedanken auseinandersetzen, Stiefmutter zu sein.
Familie on Demand? Das klingt nach Wahlfreiheit. Kein Kind ist zu wenig, ein ganzes Kind ist zu viel. Dann nehme ich eben jedes 2. Wochenende eins! Bekomme ich damit tatsächlich “das beste aus zwei Welten”? Das bezweifle ich stark!
Auf der Liste vom Traummann hätte ich jedenfalls kein Kreuzchen bei “ist Papa” gemacht. Das war in meinem Lebensentwurf nicht vorgesehen. Mal ehrlich, welches kleine Mädchen träumt davon, dass der Prinz auf dem weißen Pferd schon ein Kind von einer anderen Frau hat? Eine Umfrage in meiner Facebook-Gruppe Patchwork Power hat sogar ergeben, dass über die Hälfte der Frauen ihrem jüngeren Ich geraten hätten, wegzurennen und sich einen anderen Partner zu suchen!
Nun gut, im ersten Moment ist da der Gedanke “Ich mag Kinder und komme gut mit ihnen zurecht. Wie schwer kann das schon werden?” Und damit beginnt der Eiertanz:
- Was steht mir zu? Wie viel darf ich mich überhaupt einbringen?
- Ich bin nicht die Mutter, verbringe aber regelmäßig Zeit mit dem Kind.
- Erziehungsberechtigt bin ich laut Gesetz nicht.
- Ich will niemandem etwas wegnehmen (vor allem nicht der Mama) und trotzdem eine Beziehung zum Kind aufbauen.
- Soll, darf, muss ich das Kind meines Partners lieben?
- Ich höre ständig, die Bedürfnisse des Kindes müssen über meinen stehen und ich soll mich zusammenreißen. Denn “er ist doch nur ein Kind und du die Erwachsene.”
- Und dann gibt es noch das Totschlagargument: “Du wusstest doch, dass er ein Kind hat.” Das ist anscheinend die Begründung für absolut ALLES, was jemals passiert und nimmt komplett die Berechtigung, ein Problem zu thematisieren.
Durch all diese Gedanken und Phasen bin ich selbst gegangen. Mein Bonuskind ist mittlerweile 13 Jahre alt. Wir haben einige Zeit im Wechselmodell gelebt, drei Jahre lang ist er zu uns gezogen und hat seine Mama am Wochenende gesehen. Ich habe ihm ganz am Anfang Schlaflieder vorgesungen, später zusammen mit seinen Eltern die weiterführenden Schulen besichtigt und während Corona mit ihm Homeschooling gemacht. Er ist mein Bonussohn und der große Bruder von meinen beiden Töchtern.
Eine neue Familie zu gründen braucht Zeit, Geduld und Einfühlungsvermögen. Patchwork kann auf Dauer nur funktionieren, wenn alle gesehen werden. Jeder hat seinen Blickwinkel, eigene Probleme, Gedanken, Gefühle und Bedürfnisse. Es braucht den Willen, einen Perspektivwechsel zu machen und die Situation auch von der anderen Warte aus zu sehen. Ich hoffe, ich kann mit diesem Artikel dazu beitragen.
ÜBER DIE AUTORIN
Marita Strubelt, geboren am 11.11.1981 in Hamburg, studierte Chinesisch und BWL, bevor sie sich ganz dem Thema Kommunikation widmete und als Familiencoach selbständig machte. Sie ist Mutter und Stiefmutter von „zwei Bauchkindern und einem Bonuskind“. Mit ihrem Blog „Patchwork auf Augenhöhe“ leistet sie einen wertvollen Beitrag für eine wertschätzende Kommunikation in Patchworkfamilien. 2021 erschien ihr erstes Buch “Patchwork Power! So wird die Sache mit der Bonusfamilie zum echten Bonus”. Sie lebt mit ihrem Mann und den Kindern in Frankfurt am Main.
Von Marita Strubelt