Alltäglicher Wahnsinn als Neu-Single-Mom

Uns erreichen regelmäßig Texte aus unserer Community. Heute veröffentlichen wir einen Beitrag von Paula, die gerade versucht sich an den Wahnsinn als Neu-Single-Mom zu gewöhnen. 

Meine Tochter ist frisch ein Jahr alt. Ihr Vater zieht am Sonntag nach ihrem Geburtstag aus unserer gemeinsamen Eigentumswohnung aus. Die Trennung steht schon seit Wochen fest. Offiziell verstehen wir uns nicht mehr gut und haben Kommunikationsschwierigkeiten. Inoffiziell gab es Gewaltausbrüche seit meiner Schwangerschaft, ständige Eskalationen bei Kleinigkeiten und in meinen Augen, unhaltbare Zustände für unsere Tochter. Ich habe immer Gründe für sein Verhalten gesucht. Immerhin ist seine Mutter kurz nach der Geburt unserer Tochter gestorben. Er hat immer Stress auf der Arbeit, führt eine leitende Funktion aus. Eine Paartherapie machte nur unser Konto leerer. Bei einer Einzelsitzung sagte der Therapeut durch die Blume, dass ich allein besser dran sei und es keine Gründe für so ein Verhalten gäbe. Heute, nach vielen erneuten Versuchen, vielen Ausrastern und vielen Eskalationen bin ich mir sicher, dass ich in einer narzisstischen Beziehung gefangen war.

Ich habe allerdings geschafft die Reißleine zu ziehen. Die Fehler nicht mehr bei mir zu suchen. Die Beziehung zu beenden. Ich habe lange darauf gewartet, endlich wieder ich selbst sein zu können und dann das: Alltag!

Ich gehe 80 % Teilzeit arbeiten. Ich bin Beamtin und Schicht- und Wochenenddienste sind erwünscht. Ich habe keine Familie in der Umgebung, aber einen Kitaplatz für 12h. Mein Ex will sich keine Wohnung in unserer Nähe nehmen – ihn halte nichts in unserer Stadt, sagt er. Er kommt alle zwei Wochen und will dann in unserer Wohnung schlafen, will gemeinsame Unternehmungen als Familie machen. Ich versuche hingegen meinem Job gerecht zu werden und mich zumindest dann für Wochenenddienste anzubieten.

Obwohl ich relativ viel arbeite und verbeamtet bin, ist das Geld knapp. Ich zahle den Abtrag unserer gemeinsamen Eigentumswohnung zu 2/3 allein, unsere Tochter ist privatversichert, die Ausgaben, die zuvor gemeinsam getätigt wurden, lasten nun allein auf meinen Schultern. Mein Ex zahlt Unterhalt an unsere Tochter, nach Abzug der Kosten, die er vom Kindesunterhalt abziehen darf. Ich verzichte auf meinen Unterhalt. Falscher Stolz? Nein, es ist die Angst, dass er die Drohung wahr macht, seinen Job zu kündigen oder sich kündigen zu lassen, er Privatinsolvenz anmeldet und ich die Wohnung verliere. Selbst wenn er den Unterhalt ohne Abzüge voll bezahlen würde und den Abtrag unserer Wohnung allein zahlen würde, hätte er noch immer mehr Geld übrig als ich und meine Tochter. Aber so will es das System.

Montag bekomme ich eine Email von der Kita, dass am Mittwoch gestreikt wird. Weil ich arbeiten bin, rufe ich zu spät an um einen Platz in der Notbetreuung zu bekommen. Ich muss mal wieder die „Alleinerziehenden-Karte“ ziehen und meine Chefin nach frei fragen.

An manchen Abenden putze und koche ich bis spät in die Nacht. Ich schaffe es nicht vorher. Ich greife auf Fertigprodukte zurück, die ich früher niemals gegessen hätte, aber ich habe keine Zeit ausschließlich frisch zu kochen. Ich lasse mir unsere Lebensmittel für deutlich teureres Geld liefern, um mir diese Zeit zu sparen. Ich bade mit meiner Tochter zusammen (meine Tochter findet es super) um Wasser- und Zeit zu sparen.

Der Alltag ist schwer als Alleinerziehende ohne Familie in der näheren Umgebung. Vielleicht wäre es auch mit Familie schwer, weil man sich nicht einig ist oder sich nicht versteht. Aber es ist machbar. Die Entscheidung gegen diese toxische Beziehung, die Gewalt, die Rumbrüllerei und die endlosen Diskussionen, gibt mir so viel Lebensqualität zurück, dass ich mich trotz der vielen Hürden, immer wieder entscheiden würde diesen Weg allein zu gehen und meiner Tochter eine gewaltfreie Erziehung bieten zu können, anstatt nicht mehr ich selbst sein zu können.

Geschrieben von Community-Mitglied Paula, protokolliert von Sara Buschmann