Divorce Barbie

Kennt ihr Jacinta Nandi? Die Londonerin lebt seit rund 20 Jahren in Berlin, ist Autorin, Comedian – und alleinerziehend. Jacinta ist von Berufs wegen Expertin für gut erzählte Witze, gegen schlechte hat sie allerdings etwas einzuwenden!

„Hey, weißt du, welche Barbie die meisten Sachen hat?“, fragt mich mein Kumpel Jens. Ich merke gar nicht, dass er mir einen Witz erzählen will, und gucke ihn verständnislos an.

„Was?“, sage ich.

„Welche Barbie hat die meisten Sachen?“

„Was für Sachen?“, frage ich. 

„So, Accessoires“, sagt er.

„Oh“, sage ich. Ich überlege. „Ski-Barbie?“, frage ich. „Sie hat voll viel Zeug, oder?“

„Jacinta, du machst Witze so schwer! Was ist los mit dir? Du sollst sagen: Ich weiß nicht, welche Barbie die meisten Sachen hat.“

Ich seufze. „Okay“, sage ich. „Jens, welche Barbie hat die meisten Sachen?“

„Divorce Barbie!“, sagt er triumphierend. „Denn sie hat Kens Haus, Kens Auto, Kens Flatscreen, Kens Designermöbel….“

Jetzt gucke ich ihn verständnisloser denn je an: „WOVON REDEST DU?“, rufe ich.

Jens schaut verwirrt. „Also nach der Scheidung“, erklärt er. „After the divorce. Barbie kriegt alle Sachen von Ken. Verstehst du?“

„Nein“, sage ich, wütend. „Ich verstehe den Witz nicht. So gar nicht. Vielleicht bin ich zu dumm dafür?“

Die Wissenschaftlerin und Professorin Anne Lenze hat in 2014, 2016 und 2021 ganz klar festgestellt: Alleinerziehende sind überproportional von Armut betroffen. In ihrer Studie für die Bertelsmann Stiftung, fand Lenze heraus, dass 43 Prozent aller Ein-Eltern-Familien in Deutschland offiziell  einkommensarm sind. Vergleiche diese Statistik mit der von Paar-Familien: Bei Zwei-Eltern-Familien mit einem Kind sind es 9 Prozent und bei zwei Kindern 11 Prozent!

Hier sieht man ganz deutlich, dass es eine sehr eindeutige Verbindung zwischen Armut und alleinerziehendem Status gibt. Also ganz anders verurteilenden Klischees oder Fantasien über faule und nutzlose alleinerziehende Mütter suggerieren. Mütter in Deutschland, die keinen Partner haben, sind in den meisten Fällen erwerbstätig – allerdings können sie mit ihrem Lohn trotzdem mit ihrem Einkommen das Existenzminimum für sich und ihre Kinder viel zu oft nicht sichern.

88 Prozent der alleinerziehende Familien in Deutschland sind Frauen und 34 Prozent der alleinerziehenden Familien leben von Hartz-IV. Das sind fünfmal mehr als Paar-Familien.  

„Also nach der Scheidung kriegt sie alle seine Sachen“, erklärt mir Jens.

„Lass mich verstehen“, sage ich. Ich bin hart, ich bin bitter, ich bin wütend. „Du denkst, ernsthaft, dass das Problem in Deutschland – nee, viel mehr auf der Erde – sei, dass es alleinerziehenden Frauen zu gut gehe? Dass sie zu reich seien? Dass sie irgendwie profitiert hätten aus der Scheidung?“

Jens guckt ein bisschen beschämt zum Boden. Fast habe ich Mitleid mit ihm – fast! 

„Es geht nicht um Deutschland“, sagt er. „Es geht um Amerika. Es ist nur ein Witz, Jacinta.“

Ja, denke ich, es ist NUR ein Witz. Deswegen sagt man, dass Feministinnen keinen Humor haben, oder? 

Von Jacinta Nandi