Grün zu Gelb: Was ist fair?
Gleichberechtigung klingt fair und richtig. Doch ein zweiter Blick lohnt sich!
Männer leiden unter “Maternal Gatekeeping”, sie klagen Entfremdungsversuche von Müttern an und sie fordern Sorgerecht ab Geburt. Schenkt man derzeit großen Medien glauben, so scheint es, als habe der Feminismus die Gleichstellung der Frau längst erreicht – und dominiere inzwischen die Männer.
Der Spiegel etwa schreibt just über einige Mitglieder von Bündnis 90/Die Grünen, dass sie vom eigenen Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2021 im Hinblick auf Ihre Vaterschaft so sehr “enttäuscht” seien, dass sie “per Briefwahl für die FDP gestimmt” hätten. Grund war u.a. die Bitte, das Wort “Alleinerziehende” durch “Getrennterziehende” zu ergänzen.
Der Antrag wurde abgelehnt. Katrin Göring-Eckhardt, Fraktionsvorsitzende Bündnis 90/Die Grünen, erklärte dazu auf dem Parteitag: “Ich bitte Euch sehr, die besondere Situation von Alleinerziehenden nicht unsichtbar zu machen mit unserem Wahlprogramm.”
Doch was steckt eigentlich hinter dieser Väter-Bewegung?
Frau Klovert, eine der Mitautorinnen des im August erschienenen Artikels “Worunter moderne Väter leiden” , der u.a. das sogenannte “Maternal Gatekeeping” anklagt, hat eine Interviewanfrage unserer Plattform zu dieser Fragestellung ignoriert. Wir hatten sie nach ihrer persönlichen Sicht auf das Thema gefragt – auch, um näher zu verstehen, was die Hintergründe für ihren Text sein könnten. In Kloverts Rückmeldung spielte sie uns den Ball zurück und bat um Mithilfe bei der Suche nach einer alleinerziehenden Mutter, die an einer Gesprächsrunde ähnlich dem Dreigenerationen-Vätertalk: “Mich nerven Väter, die die Mutterrolle spielen” im Magazin teilnehmen würde. Wir haben uns schwer getan einen Aufruf in der Community zu starten: Würde es gelingen ein objektives Bild der aktuellen Geschlechtersituation im Hinblick auf familiäre Konstrukte zu zeichnen?
Nach wie vor leben die meisten Eltern ein so genanntes “modernisiertes Ernährermodell”, in dem der Vater in Vollzeit und die Mutter in Teilzeit arbeitet. Teresa Bücker schreibt in ihrem aktuellen Newsletter Zwischenzeit_en dazu: “68 Prozent der Hetero-Elternpaare teilt sich die Sorge- und Erwerbsarbeit […] auf. Und fast jede vierte Familie lebt noch immer im so genannten “Alleinernäher-Modell”, in dem der Vater das Erwerbseinkommen allein verdient und die Mutter den Löwinnen-Teil der unbezahlten Sorgearbeit übernimmt. Bei einem Viertel der Familien kann man wohl kaum davon sprechen, dass das Alleinernäher-Modell kaum noch verbreitet ist, sondern noch ziemlich normal ist.”
Die FDP möchte das paritätische Wechselmodell zum Leitbild nach Trennungen etablieren und gleichzeitig die Rechte für Väter ausbauen. Auf den ersten Blick mag dies für Außenstehende fair, vernünftig und gleichberechtigt klingen, doch, so erklärt der VAMV aktuell etwa auf Instagram: “In Beziehungen stecken viele Frauen für Kinder beruflich zurück. Solidarität nach Trennung muss bei Reformen im Unterhaltsrecht unbedingt Beachtung finden.”
Wer für Kinder auf Teilzeit gegangen sei, brauche nach einer Trennung Zeit, um am Arbeitsmarkt wieder Fuß zu fassen und Unterhalt zu verdienen. Denn: “Hätte der vollzeiterwerbstätige Vater für die Betreuung der Kinder ebenfalls beruflich zurückstecken müssen, stünde er beruflich nicht dort, wo er steht. Die Nachteile eines auch nur vorübergehenden Ausstiegs aus der Erwerbsarbeit oder einer länger andauernden Teilzeitbeschäftigung lassen sich über den Lebensverlauf hinweg kaum kompensieren. Zu oft wird, gerade nach einer Trennung, gerne vergessen, dass der Vater die Vereinbarkeit seines Familienlebens mit seiner Erwerbsbiographie und damit seine Leistungsfähigkeit auch der Mutter verdankt.”
Die Lösung kann also in diesem Fall nur sein, strukturell am richtigen Ende anzusetzen: Erst wenn Sorgearbeit, berufliche Chancen und finanzielle Mittel gleichberechtigt verteilt werden, können auch paritätische Nachtrennungsmodelle im größeren Stil gelebt werden.
Teresa Bücker etwa schlägt dazu vor: “Equal-Care gelingt nur, wenn beide Partner*innen ähnlich viel erwerbsarbeiten – im Idealfall weniger als 40 Stunden.” Und ergänzt: “Solange wir jedoch an der 40-Stunden-Woche festhalten (und geringere Arbeitszeiten nur als Ausnahme für die ersten Elternjahre diskutieren) und Teilzeit-Löhne in der Regel nicht zum Leben reichen werden, werden wir der gleichberechtigten Aufteilung von Sorge- und Erwerbsarbeit nicht wirklich näher kommen – und der Entlastung von Alleinerziehenden auch nicht.”
Würde eine paritätische Nachtrennungselternschaft nach FDP-Vorbild bereits beginnen, bevor im Vorfeld gesellschaftlich und politisch die Weichen für eine gleichberechtigte Aufteilung der innerfamiliären Strukturen VOR einer Trennung gestellt würden, wären Alleinerziehende noch größeren Armutsrisiken ausgesetzt als sie es heute schon sind.
Die Mias etwa erklären auf Instagram, dass die FDP im Themenbereich Kindschaftsrecht einen “antifeministischen Denkhintergrund” habe. So kritisieren sie etwa, dass ein von der FDP gefordertes Väter-Sorgerecht ab Geburt bedeute, dass gewaltbetroffene Frauen “die gesamte Kindheit vom Täter abhängig” wären und dass dies “nichts mit Gleichberechtigung zu tun habe”, sondern im Gegenteil die Diskriminierung von Frauen noch verschärfe.
Es ist deshalb wirklich wichtig bei Vorschlägen zur Gleichberechtigung immer zweimal hinzuschauen und zu prüfen, von welcher Seite mögliche Forderungen kommen und welche Hintergründe diese Forderungen haben. Gerade in Zeiten von Wahlen sollten wir versuchen, uns ein umfassendes Bild der jeweiligen Themenfelder zu machen und uns nicht von populär klingenden Slogans täuschen zu lassen.
Denn: Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen ist noch lange nicht erreicht. Wenn es so weitergehe wie bisher, können wir weltweit erst in mehr als 133 Jahren mit Gleichbehandlung in allen Bereichen rechnen, so berichtet die Deutsche Welle aus einer Studie des Global-Gender-Gap Reports 2021.
Wer noch einmal nachlesen möchte, was uns die Parteien zum Thema “Alleinerziehende in der kommenden Legislaturperiode” geantwortet haben, kann dies hier tun.
Von Sara Buschmann