3 Fragen vor der Bundestagswahl

Wir haben den fünf größten Parteien vor der Bundestagswahl drei Fragen gestellt. Wie es dazu kommt, was wir damit bezwecken und wo Ihr die Antworten findet, erfahrt Ihr im Text.

Ich war immer ein recht unpolitischer Mensch. Aufgewachsen bin ich unter Helmut Kohl und später mit einem SPD-Kanzler, der heute an der Seite seiner Frau zum Instagram-Star avanciert. Politik war in den 1990ern gefühlt Teil einer Popkultur: Es gab Bierflaschen-Songs von Gerhard Schröder, einen FDPler im Guidomobil und medienwirksame Staatsbesuche des niederländischen Königshauses im Bellevue, die von Hape Kerkeling abgehalten wurden.

Dass mein Herz schon immer links schlägt, ist klar: Ich höre deutsche Punkmusik und Slogans wie „Nazis raus“ oder „Rassismus? Nein danke!“ sind für mich gesetzt und standen nie zur Diskussion. Viel weiter reichte mein Interesse aber nie.

Es ist einiges passiert in den letzten Jahrzehnten. Waren in den 1980ern noch „Atomkraft? Nein danke!“, „Keine WAA in Wackersdorf“ oder „Volkszählung? Nein, danke!“ die Themen der Stunde, so wird heute gefühlt alles immer unübersichtlicher und komplexer. Alle wichtigen inner- und außenpolitischen Bewegungen im Blick zu behalten, das schaffen wahrscheinlich nur Berufspolitiker mit Hilfe ihrer Teams.

Als Mutter einer Tochter und vor allem auch als alleinerziehende Frau wurde mir aber schnell klar, dass ich vor einigen strukturellen Themen in diesem Land nicht länger die Augen verschließen wollte. Mein politisches Interesse an der Situation von Ein-Eltern-Familien war geweckt. Zusätzlich das Bedürfnis mich für meine Zielgruppe zu engagieren – immerhin erziehen 2,6 Millionen Eltern ihre Kinder alleine oder getrennt, davon sind 2,2 Millionen Frauen.

Als Kommunikationsexpertin weiß ich, wie man Themen setzt, Diskurse anregt und gehört wird. Als Single Mom weiß ich, um die Bedürfnisse Alleinerziehender und um die Diskriminierung, die gerade uns Frauen in einer Situation wie meiner oft entgegenschlägt.

Von Wegbegleitern habe ich außerdem gelernt, wie man sich erfolgreich für soziale Themen engagieren kann: Mein ehemaliger Chef Gerald etwa hat den Verein Freunde fürs Leben gegründet und meine Klassenkameradin Katja setzt sich seit mehr als einem Jahrzehnt mit Arbeiterkind.de für Studierende der ersten Generation ein.

Spätestens seit 2019 bin ich also auch ein politischer Mensch. 2021 habe ich SOLOMÜTTER gegründet. In erster Linie sind wir „das digitale Zuhause für Single Moms“, aber wir verstehen uns auch als Interessensvertretung alleinerziehender Mütter.

Im Rahmen der ersten Bundestagswahl seit Bestehen unserer Initiative kam nun die Frage auf, wie wir uns diesbezüglich verhalten und wie wir das Thema Politik in unsere Arbeit integrieren wollen. Neben der Kolumne Wie wählen Alleinerziehende von Anne Dittmann habe ich mich deshalb entschlossen, die fünf größten Parteien anzuschreiben und ihnen jeweils drei Fragen zu den Inhalten, die Alleinerziehende in der nächsten Legislaturperiode betreffen, zu stellen.

Und das wollten wir wissen: Welche Veränderungen in der Besteuerung für Alleinerziehende streben Sie an und warum? Wie planen Sie Alleinerziehende perspektivisch konkret zu entlasten? Welche Rahmenbedingungen möchten Sie schaffen, um die Chancen alleinerziehender Mütter auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen?

Alle Antworten zu bekommen, erforderte Marathonqualitäten: Es hat insgesamt mehr als zehn Wochen gedauert und ich habe rund zwanzig E-Mails geschrieben, bis alle Parteien ihre Inhalte geschickt hatten. Wir finden aber: Die Arbeit hat sich gelohnt!

Unter den nachfolgenden Links könnt Ihr nun ganz konkret (oder manchmal auch „politiker*innen-konkret“) nachlesen, was die CDU/CSU, die SPD, DIE LINKE, DIE GRÜNEN und die FDP zu unseren Themen zu sagen haben.

Zur Info: Im ersten Schritt haben wir alle Kanzlerkandidat*innen bzw. die Partevorsitzenden angesprochen, geantwortet haben dann meist andere – bis auf Olaf Scholz (SPD), der über sein Büro persönlich zur Verfügung stand.

Für die CDU/CSU haben wir letztlich über ein Online-Tool sogenannte Wahlprüfsteine eingereicht, DIE GRÜNEN haben mit einer “offiziellen Parteiposition” geantwortet, für die FDP stand Nicole Bauer, MdB und Frauenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Frage und Antwort und von DIE LINKE haben wir statt der Antworten ein persönliches Statement der Parteivorsitzenden Janine Wissler erhalten.

Die AfD habe ich aus persönlichen Gründen (siehe oben) nicht befragt. So viel Subjektivität wollte ich zulassen. Ob das richtig war? Heute bin ich mir nicht mehr sicher, weil in einer Demokratie jede*r die Chance haben sollte zu Wort zu kommen.

Nichtsdestotrotz: Es würde uns sehr freuen, wenn Euch die gesammelten Antworten bei Eurer Entscheidung am 26. September helfen würden. Geht wählen, alle! Denn nur so, können wir Politik mitgestalten und für unsere Themen einstehen.

Welche Veränderungen in der Besteuerung für Alleinerziehende streben Sie an und warum?

CDU und CSU wollen Familien steuerlich entlasten. Studien belegen, dass gerade Familien mit Kindern vom Ehegattensplitting am stärksten profitieren. Wir halten am Ehegattensplitting fest und wollen zusätzlich den Einstieg in ein Kindersplitting, um Kinder positiv zu berücksichtigen. Wir haben die finanzielle Situation von Familien spürbar verbessert, indem wir den Kinderfreibetrag und das Kindergeld zum 1. Januar 2021 deutlich erhöht haben. Den steuerlichen Entlastungsbetrag für Alleinerziehende haben wir bereits auf 4.008 Euro verdoppelt und wollen ihn auf 5.000 Euro weiter erhöhen.

Wie planen Sie Alleinerziehende perspektivisch konkret zu entlasten?

Zusätzlich zu der bereits erfolgten Verdopplung des steuerlichen Entlastungsbetrags für Alleinerziehende auf 4.008 Euro und der geplanten Erhöhung auf 5.000 Euro werden CDU und CSU die steuerliche Berücksichtigung haushaltsnaher Dienstleistungen verbessern. Sie entlasten Familien im Alltag und schaffen mehr Zeit für Familie und Beruf. So verringern wir auch Schwarzarbeit und tragen zur sozialen Absicherung der häufig weiblichen Beschäftigten bei.

Welche Rahmenbedingungen möchten Sie schaffen, um die Chancen alleinerziehender Mütter auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen?

Entscheidend, um die Chancen alleinerziehender Mütter auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen, ist eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsarbeit hat sich der Bund am Ausbau in der Kinderbetreuung beteiligt. Allein für die Jahre 2020 und 2021 hat die unionsgeführte Bundesregierung insgesamt eine Milliarde Euro für den Ausbau der Kita-Kapazitäten bereitgestellt. So können 90.000 neue Betreuungsplätze in Kitas und in der Kindertagespflege geschaffen werden. CDU und CSU werden den Kita-Ausbau und die Weiterentwicklung der Qualität auch über 2022 hinaus weiter fördern. Damit helfen wir Kindern in ihrer Entwicklung und unterstützen Eltern bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Darüber hinaus wollen wir Familien mehr Zeit geben. Wir wollen Familienzeitkonten für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nutzbar machen und durch flexibleres und mobiles Arbeiten mehr Freiräume schaffen. Dies kommt gerade auch Alleinerziehenden zugute.

Diese Antworten haben wir in Form der Wahlprüfsteine von CDU und CSU erhalten.

Welche Veränderungen in der Besteuerung für Alleinerziehende streben Sie an und warum?

Die Leistung von Alleinerziehenden verdient größten Respekt. Der Tatsache, dass Ein-Eltern-Familien ein erhöhtes Armutsrisiko haben, sind wir uns bewusst und wollen dies gezielt angehen. Neben der Einführung der Kindergrundsicherung, wollen wir eine Steuergutschrift für Alleinerziehende einführen, um diese stärker zu entlasten. Das deutsche Steuerrecht steckt noch im letzten Jahrhundert fest. Während sich viele Paare Familien- und Erwerbsarbeit gleichberechtigter aufteilen als es noch vor Jahren der Fall war, gilt bei der Steuer nach wie vor das Modell eines männlichen Ernährers und einer Frau, die höchstens dazuverdient und sich hauptsächlich um Haushalt und Kinder kümmert. Dieses Modell ist ungerecht, weil es Ehen privilegiert, Ein-Eltern-Familien (Alleinerziehende) und nicht verheiratete Paare außen vor lässt, die Erwerbstätigkeit von Frauen hemmt und Frauen gleichzeitig nicht wirklich absichert.

Wie planen Sie Alleinerziehende perspektivisch konkret zu entlasten?

Ein-Eltern-Familien (Alleinerziehende) leisten enorm viel und dennoch ist mehr als ein Drittel von Armut bedroht. Daher wollen wir alle Familien mit einer einfachen und gerechten Kinder- und Familienförderung stärken: der Kindergrundsicherung. Sie fasst Kindergeld, Kinderfreibeträge, Kinderzuschlag, das Sozialgeld für Kinder und die Bedarfe für Bildung und Teilhabe in eine neue eigenständige Leistung zusammen. Die Kindergrundsicherung verbinden wir mit einer Neuermittlung dessen, was Kinder zum Leben brauchen. Mit der Kindergrundsicherung helfen wir mehrfach: Mit der Neuermittlung der Mindestbedarfe von Kindern und Jugendlichen steigt auch der Mindestunterhalt. Und anders als beim heutigen Kindergeld soll nur die Hälfte auf den Unterhaltsvorschuss angerechnet werden. Nach einer Trennung soll es für getrennt erziehende Eltern bei der Betreuung nicht zusätzlich knirschen, darum werden Mehrkosten für die Ausübung des Umgangs und Betreuungsleistungen angemessen berücksichtigt. Für getrennt erziehende Eltern im Grundsicherungsbezug wollen wir einen Umgangsmehrbedarf einführen. Das Betreuungsmodell soll im Einzelfall am Kindeswohl orientiert gefunden und nicht schematisch definiert werden. Ob ein wichtiger Abendtermin im Job, ein Beratungsgespräch oder Arztbesuch – Kinder können und sollten nicht immer dabei sein. Es gilt, familienunterstützende Dienstleistungen zu fördern, zum Beispiel für ergänzende Kinderbetreuung oder haushaltsnahe Dienstleistungen. Das ist besonders im Krankheitsfall wichtig, denn Kinder und Haushalt müssen trotzdem versorgt sein.

Welche Rahmenbedingungen möchten Sie schaffen, um die Chancen alleinerziehender Mütter auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen?

Wir wollen insbesondere die Flexibilität von Alleinerziehenden durch familienunterstützende Dienstleistungen, die Erhöhung der Kinderkrankentage auf 30 Tage und die Inanspruchnahme der KinderZeit Plus für 24 Monate fördern. Eltern, insbesondere Alleinerziehenden, ermöglicht ein Kinderbetreuungsplatz gesellschaftliche und berufliche Teilhabe. Der KiTA-Platz muss den Lebens- und Arbeitsrealitäten von Eltern gerecht werden. Weiterhin fordern wir, einen individuellen Rechtsanspruch für jedes Grundschulkind auf Ganztagsbildung und -betreuung mit Qualitätsstandards umzusetzen. Wir setzen uns auch dafür ein, dass die Tatsache Kinder zu haben, in der Arbeitswelt nicht zu Nachteilen führt und werden notwendige Maßnahmen inklusive erforderlicher Gesetzesänderungen ergreifen. Darüber hinaus fordern wir ein echtes Rückkehrrecht auf Vollzeit.

Die Antworten sind eine “offizielle Parteiposition” von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Alle Kinder brauchen ein sicheres zu Hause. Wie wir Alleinerziehende spürbar entlasten können.

Dauerstress. Kaum ein Wort habe ich häufiger gehört, wenn es um Familien in der Corona-Pandemie ging. Neben Menschen mit hohen Gesundheitsrisiken, sind es wohl die Kinder, Jugendlichen und Eltern, die die Situation besonders schlimm, ja manchmal dramatisch erfahren haben. Viele Eltern gehen auf dem Zahnfleisch. In der Pandemie wurde deutlich, welcher unglaubliche Druck und Stress auf Familien lastet – besonders, wenn Eltern alleinerziehend sind, in “systemrelevanten” Bereichen arbeiten, Familien in beengten Wohnungen leben. Die Krisenfolgen sind noch nicht komplett absehbar, aber psychische Belastungen und Kinderarmut haben zugenommen. Jede Fünfte hat aufgrund der Krise zusätzliche finanziellen Schwierigkeiten – unter den Alleinerziehenden ist es sogar jede Vierte. Erwerbslosigkeit, prekäre Arbeit und Minijobs haben oft Kinder- und Jugendarmut zur Folge.

Viele Familien fielen bei den Corona-Hilfen durchs Raster. Ein Beispiel: Alleinerziehende Frauen, viele von ihnen Mini-Jobberinnen, verloren besonders häufig ihren Job. Was nützten ihnen im Zweifelsfall die Kinderkrankentage, die zudem mit finanziellen Einbußen verbunden waren? Als LINKE haben wir darauf hingewiesen und etwa ein unbürokratisches Corona-Elterngeld (mindestens 1200 Euro; einkommensabhängig) für alle gefordert, das auch Familien, die auf Sozialleistungen angewiesen sind, unterstützt.

Familie ist, da wo Kinder leben und Menschen füreinander besondere Verantwortung übernehmen. Millionen Alleinerziehende geben jeden Tag alles für ihre Kinder. Aber von der Politik werden sie oft vergessen. Eine Zahl spricht für mich Bände: Von den 2,6 Millionen Alleinerziehenden in Deutschland sind fast 40 Prozent im Hartz IV-Bezug. Weil in der Arbeitswelt immer noch nicht auf die Situation und Bedürfnisse von Alleinerziehenden und ihren Kindern eingegangen wird. Und weil Löhne in vielen Bereichen so niedrig ist, dass sie aufgestockt werden müssen.

Die Familienpolitik der Bundesregierung scheitert – nicht erst seit der Pandemie – daran, die großen Problembaustellen anzugehen: Kinderarmut, unsichere Einkommen, Wohnungsnot und steigende Mieten. Fehlende Kita-Plätze und die Schwierigkeit, Beruf und Familie gut zu vereinbaren. Der Bundesregierung scheint die Lebensrealität von Millionen Alleinerziehenden ziemlich egal zu sein.

Wie könnte eine sozial gerechte Familienpolitik nach der Bundestagswahl aussehen? Wie können wir Alleinerziehende endlich spürbar entlasten und so einen Beitrag zu einer gerechteren Gesellschaft leisten?

  1. Familien müssen sozial endlich besser abgesichert werden. Um alle Kinder verlässlich vor Armut zu schützen, machen wir uns eine eigenständige Kindergrundsicherung stark. Nur so können die individuellen und vielseitigen Bedarfe von Kindern und Jugendlichen in allen Familien gedeckt werden. Dies wird bereits seit Jahren von Gewerkschaften und Sozialverbänden gefordert und kürzlich erst durch die Empfehlungen des Familienberichts der Bundesregierung bestärkt. Auch beim Elterngeld besteht Handlungsbedarf – wir wollen das Mindestelterngeld auf 400 Euro erhöhen. Wir brauchen zudem dringend eine Mindestsicherung von 1200 Euro, ohne die ständigen Sanktionsdrohungen der Jobcenter, und eine Steuerreform, um Menschen mit geringen und mittleren Einkommen zu entlasten.

 

  1. Mit einem Mindestlohn von 13 Euro, sicheren statt prekären Arbeitsverhältnissen und einer wirksamen Begrenzung von Überstunden und Arbeitsbelastung wären wir einen großen Schritt weiter und könnten die Situation von Hunderttausenden Alleinerziehenden verbessern. Es braucht verbindliche Ansprüche auf familiengerechte Arbeitszeiten. Wenn ein Kind krank ist, muss es ein Recht auf bezahlte Freistellung geben – bis das Kind wieder gesund ist. Für Eltern muss ein besonderer Kündigungsschutz gelten, damit sie nicht permanent unter Druck stehen oder erpressbar sind, wenn sie gegenüber Vorgesetzten und Arbeitgebern auf familiengerechte Arbeitszeiten bestehen. Mini-Jobs führen oft in die Falle von Altersarmut – wir wollen sie in sozialversicherte Arbeitsplätze umwandeln und eine Mindestrente von 1200 Euro einführen.

 

  1. Es muss dringend mehr für einen Ausbau der Ganztagsbetreuung in Kitas, Kindergärten und Schulen getan werden. 200.000 zusätzliche ErzieherInnen werden alleine für die Kitas benötigt, um den Anspruch auf Ganztagsbetreuung und Inklusion zu verwirklichen. Wir wollen die Ganztagsbetreuung ausbauen und für alle gebührenfrei machen. Das kostet Geld. Wir wollen, dass Multimillionäre endlich einen gerechten Beitrag zum sozialen Zusammenhalt leisten und angemessen Steuern zahlen. Mit den über 50 Milliarden Einnahmen aus der Vermögenssteuer können notwendige Ausgaben und Investitionen für Bildungsgerechtigkeit, bezahlbares Wohnen und die gesamte soziale Infrastruktur in den Kommunen, von Schwimmbädern und Sporthallen, Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtungen bis hin zu Beratungsstellen, finanziert werden.

Alle Kinder brauchen ein sicheres und geborgenes Zuhause, Schutz vor Armut sowie gute Bildung und Förderung – unabhängig vom Geldbeutel der Eltern. Politik muss sich daran messen lassen, was sie dafür tut.

Dieses persönliche Statement von Janine Wissler haben wir auf unsere Fragestellungen erhalten.

Welche Veränderungen in der Besteuerung für Alleinerziehende streben Sie an und warum?

Wir Freie Demokraten wollen flexible, zeitgemäße Modelle stärken und fordern daher, die Steuerklassen III und V abzuschaffen, damit sich in der Steuerklasse IV die Abzugsbeträge beider Ehegatten stärker am jeweiligen Anteil am Bruttoarbeitslohn (Faktorverfahren) orientieren. Für Alleinerziehende soll die Steuerklasse 2 bestehen bleiben. Am Splittingverfahren für Ehe- und eingetragene Lebenspartnerschaften wollen wir festhalten. Das Rentensplitting wollen wir jedoch nicht nur zwischen Ehe- sowie Lebenspartnern, sondern auch zwischen unverheirateten Eltern ermöglichen.

Wie planen Sie Alleinerziehende perspektivisch konkret zu entlasten?

Wir Freie Demokraten wollen Familien und Alleinerziehende entlasten. Dazu wollen wir den Kinder und Auszubildendenfreibetrag sowie den Freibetrag für Alleinerziehende anheben. Auch die steuerliche Absetzbarkeit von Betreuungskosten, gesetzlichen Unterhaltsleistungen und haushaltsnahen Dienstleistungen wollen wir verbessern. Ebenso kann es sinnvoll sein, künftig stärker mit – von der Steuerschuld abzuziehenden – Steuergutschriften zu arbeiten. Dadurch wirken Freibeträge besser für die niedrigen und mittleren Einkommen.

Den Entlastungsbetrag (§ 24b EStG) wollen wir jedoch auf 2.200 Euro (von derzeit 1.908 Euro) erhöhen und den Erhöhungsbetrag je Kind auf 275 Euro (von derzeit 240 Euro) ebenfalls. Zudem wollen wir den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende (§ 24b EStG) dynamisieren, um künftige Preissteigerungen auszugleichen sowie ihn beibehalten, wenn zusätzlich zu den Kindern volljährige pflegebedürftige Angehörige im Haushalt wohnen. Dasselbe gilt, wenn zwar eines der älteren Kinder, welches noch im Haushalt lebt, keinen Kindergeldanspruch mehr hat, aber noch andere Kinder mit Kindergeldanspruch im Haushalt wohnen.

Außerdem fordern wir eine Kindergeldzulage pro Quartal in Höhe des Kindergeldes (aktuell: 204 Euro, später höherer Flexibetrag um den Basisbetrag aus dem Kinderchancengeld) für getrennt Erziehende und Alleinerziehende einzuführen.

Wir wollen, dass Elternteile, die vor der Elternzeit freiwillig gesetzlich versichert waren, sich während der Elternzeit kostenfrei in der gesetzlichen Krankenversicherung weiter versichern können, wie Pflichtversicherte bisher auch.

Welche Rahmenbedingungen möchten Sie schaffen, um die Chancen alleinerziehender Mütter auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen?

Eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist für diejenigen, die sich die Elternrolle teilen schon eine Herausforderung – für Getrennt- und Alleinerziehende wird sie zum Drahtseilakt. Deshalb muss der Staat für die richtigen Rahmenbedingungen für berufstätige Mütter und Väter sorgen.

Wir Freie Demokraten fordern daher die Einführung eines „Partnerschutzes“ analog zum „Mutterschutz“ auch für Alleinerziehende. Sie sollen nach der Geburt eines Kindes eine Person bestimmen können (zum Beispiel Familienangehörige), die die Alleinerziehenden in dieser Zeit unterstützt. Zudem wollen wir den Zeitkorridor des ElterngeldPlus entsprechend dem Partnerschaftsbonus für getrennt Erziehende und
Alleinerziehende anpassen, damit die Situation von getrennt Erziehenden und Alleinerziehenden nicht nachteilig aufgrund des Zeitkorridors ist.

Gemeinsam mit Ländern und Kommunen wollen wir für ausreichend Kinderbetreuung mit Öffnungszeiten, die getrennt Erziehenden und Alleinerziehenden das Arbeiten im Schichtdienst ermöglichen, schaffen und im Anschluss daran, einen etwaigen Rechtsanspruch prüfen. Beschäftigte sollen ein Recht auf Homeoffice und mobiles Arbeiten nach niederländischem Vorbild erhalten, sofern Betriebsgröße oder betriebliche Belange – nach Prüfung durch den Arbeitgeber – dem nicht entgegenstehen. Im Gegenzug muss das Arbeitszeitgesetz modernisiert und Arbeitgeber hier von bürokratischen Vorgaben überbordender Arbeitsschutzvorschriften entlastet werden, damit flexibleres Arbeiten zeit- und ortsunabhängig möglich wird.

Wir wollen, dass Elternteile, die vor der Elternzeit freiwillig gesetzlich versichert waren, sich während der Elternzeit kostenfrei in der gesetzlichen Krankenversicherung weiter versichern können, wie Pflichtversicherte bisher auch. Die statistische Datenlage zu Altersvorsorge und Rentensituation von getrennt Erziehenden und Alleinerziehenden wollen wir verbessern sowie die Möglichkeit schaffen, jederzeit, auch für befristete Zeiträume, Rentenpunkte zu splitten. Das Rentensplitting soll dabei nicht nur zwischen Ehe- sowie Lebenspartnern, sondern auch zwischen unverheirateten Eltern möglich sein.

Sonderfrage:

Speziell von Ihrer Partei würde uns darüber hinaus ein Statement zum „Wechselmodell als Regelfall“ sehr freuen: Wie geht der Freiheitsgedanke der FDP mit einem Nachtrennungmodell, das ein Wechselmodell als Regelfall, im Zweifel auch per Gerichtsurteil, vorsieht einher?

Wir Freie Demokraten wollen das sogenannte „Wechselmodell“ zum gesetzlichen Leitbild bei der Betreuung minderjähriger Kinder nach einer Trennung der Eltern machen. Beide Eltern sollten berechtigt und verpflichtet sein, sowohl für den Unterhalt als auch für die Betreuung mit einem substantiellen Anteil zu sorgen. Viele Eltern möchten die Kinder auch nach der Trennung gemeinsam erziehen. Die Politik muss die gesetzlichen Rahmenbedingungen hierfür schaffen und insbesondere vorsehen, dass Erziehungs- und Unterhaltsverantwortung gemeinschaftlich ausgeübt werden, wenn das Kindeswohl dem nicht entgegensteht.

Für das Wohl des Kindes ist stets eine einvernehmliche Regelung zwischen beiden Elternteilen wünschenswert. Kommt es aber zu keinem Konsens, bedarf es einer gerichtlichen Entscheidung. Hier wollen wir das Wechselmodell als Leitbild, als Regelfall für eine Betreuungsregelung einführen.

Aber, wir wollen nichts vorschreiben – keine starre Regelung. Für uns heißt das Wechselmodell eine Lösung zwischen 30/70 bis hin zu 50/50 anteilige Betreuung. Wichtig ist, dass es selbstverständlich wird, dass auch nach einer Trennung beide Eltern sowohl für die Betreuung als auch für den Unterhalt aufkommen – dort wo dies möglich ist. Jede Familie muss auch nach einer Trennung der Eltern für sich selbstbestimmt einen Weg finden können – unterstützt durch ein Familienrecht, das dem gesellschaftlichen Wandel der letzten Jahrzehnte Rechnung trägt.

Das Wechselmodell ist in mehreren europäischen Staaten bereits die Regel, unter anderem in Italien und Belgien. Auch der Europarat sprach sich 2015 für die Einführung des Wechselmodells als gesetzlichen Regelfall aus. Die FDP fordert deshalb einen Paradigmenwechsel in der deutschen Familienpolitik – weg von tradierten Stereotypen hin zu individuellen Betreuungslösungen für Kinder.

Diese Antworten haben wir von Nicole Bauer, MdB und Frauenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, erhalten.

Welche Veränderungen in der Besteuerung für Alleinerziehende streben Sie an und warum?

Im Jahr 2020 haben wir den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende bereits mehr als verdoppelt: von 1.908 Euro auf 4.008 Euro. Das galt zunächst befristet für zwei Jahre, ist inzwischen aber dauerhaft geregelt. Die SPD steht für ein Steuerrecht, das stärker auf Partnerschaftlichkeit ausgerichtet ist und Familien mit Kindern fördert. Das heißt konkret: Die allermeisten Haushalte mit Kindern werden finanziell bessergestellt, egal ob alleinerziehend oder in einer Partnerschaft. Außerdem werden ganz viele Familien mit unserer Kindergrundsicherung, die u.a. aus einem neuen Kindergeld und kostenloser Betreuung besteht, deutlich bessergestellt sein als mit dem alten Ehegattensplitting. Das Ehegattensplitting werden wir für neu geschlossene Ehen ändern. Für bestehende Ehen werden wir zudem ein Wahlrecht zwischen dem geltenden und dem neuen Splitting einführen.

Wie planen Sie Alleinerziehende perspektivisch konkret zu entlasten?

Wir werden dafür sorgen, dass Alleinerziehende besser unterstützt werden. Im Rahmen der Kindergrundsicherung werden wir das neue, existenzsichernde, automatisch ausgezahlte Kindergeld nach Einkommen der Familie staffeln – und zwar so, dass wer mehr braucht auch mehr bekommt. Die besondere Situation Alleinerziehender werden wir berücksichtigen. Alleinerziehende sollen außerdem mehr Anspruch auf Familienzeit bekommen.

 

Welche Rahmenbedingungen möchten Sie schaffen, um die Chancen alleinerziehender Mütter auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen?

Es geht um gute Arbeitsplätze und gute Bezahlung, um eine verlässliche Rente auch wenn die noch lange nicht ansteht. Diejenigen, die wenig verdienen, brauchen höhere Löhne. Deshalb will ich einen Mindestlohn von 12 Euro. Für fast zehn Millionen Bürgerinnen und Bürger bedeutet dies eine Lohnerhöhung, vor allem Frauen werden profitieren.

Außerdem gehören gerade die Berufe, die vorrangig von Frauen ausgeübt werden, besser bezahlt. Bei der Altenpflege haben wir geschafft, dass bald nur noch die Einrichtungen bei der Pflegekasse abrechnen können, die entsprechend Tarif bezahlen. Dafür mussten wir hart kämpfen – CDU/CSU waren lange dagegen. Am Ende haben wir das durchgesetzt.

Wir müssen es Eltern leichter machen, Kinder und Beruf zu vereinbaren. Ich will den Ausbau von Kinderbetreuung und Ganztagsangeboten. Als Bürgermeister habe ich das in Hamburg bereits so umgesetzt, wie ich es mir fürs ganze Land vorstelle: Es muss ein flächendeckendes Angebot an Krippen, Kitas und Ganztagsbetreuung in allen Schulen bis zum Abi geben. Gebührenfrei.

Und es geht natürlich auch um Machtfragen in der Wirtschaft und in der Politik: In einer Regierung Scholz werden mindestens gleich viele Frauen wie Männer vertreten sein.

Diese Fragen beantworte Kanzlerkandidat und Finanzminister Olaf Scholz für uns.

Von Sara Buschmann