Alleinerziehend mit Partner

Ich bin alleinerziehend in Partnerschaft. Zu Beginn kam ich mir blöd dabei vor, mich immer noch alleinerziehend zu nennen. Dabei ist das totaler Quatsch.

Die Erwartung an eine frische Beziehung, dass der oder die neue Partner*in automatisch neuer Elternteil mit allen Verpflichtungen ist, ist schlicht nicht umsetzbar. Völlig egal, wie intensiv die Bindung zum Kind ist. Rein wirtschaftlich gesehen ändert sich an diesem Status erst dann etwas, wenn wir einen Haushalt teilen, heiraten und er mein Kind offiziell adoptiert. Denn erst dann würde er unterhaltspflichtig, statt ihres biologischen Vaters. Selbst, wenn er mich heiratet, aber ohne mein Kind zu adoptieren, fiele zwar der Unterhaltsvorschuss weg, nicht jedoch die Pflicht ihres Vaters, Unterhalt zu zahlen, sofern er dazu in der Lage wäre. Finanziell bin ich also nicht plötzlich anders gestellt, nur weil ich nicht mehr Single bin. Ich habe dadurch keinen finanziellen Vorteil. Es ist also selbstverständlich schön, dass wir meinen Partner mittlerweile als Bonuspapa bezeichnen und er diesem Namen auch alle Ehre macht, aber an meiner finanziellen Situation und meinen Pflichten ändert sich rein gar nichts. Wir leben (noch) in getrennten Haushalten, mein Partner hat selbst ein Kind, welches er nach seinem Vollzeitjob fast täglich sieht und für das er auch Unterhalt zahlt.

Als ich Mutter wurde, war ich nach einigen Wochen auch alleinerziehend. Ich habe nie erfahren, wie es sich anfühlt, ein Familienleben zu dritt zu führen. Vor meinem Wegzug aus der Großstadt zurück in die Heimat hatte mich der Vater unserer Tochter sporadisch “unterstützt”, indem er sie zu Bett brachte oder fütterte. Zu mehr war er aufgrund seiner Suchterkrankung leider nicht in der Lage. Entscheidungen bezüglich ihrer Ernährung, Kleidung, medizinischen Versorgung, Diagnostik oder ihres Aufenthaltes traf einzig und allein ich. Nicht freiwillig, denn ich hätte mich gerne dazu ausgetauscht, mit einem Partner oder Expartner. Aber leider war ich damit alleine. Ich war alleine damit, mich den ganzen Tag um ein Kind zu kümmern und auch mit allen Sorgen um unsere Tochter. Mit der Diagnostik, der schließlichen Feststellung ihrer Genanomalie und ihrer damit verbundenen schweren Behinderung. Ich habe mich alleine um Umzug, Hilfsmittel, Pflegegrad, Arztbesuche, Kitasuche, Frühförderungen und Therapien gekümmert. Ich konnte beim Thema Mental Load nie mitreden, denn ich hatte nicht die Möglichkeit, mit einem Partner darüber zu streiten, ob wir beide in Teilzeit gehen, ob er sich nach der Arbeit um sein Kind kümmert oder warum er ihre Schuhgröße nicht weiß. Ich konnte mich abends nicht in die Arme meines Partners, der ebenso der Vater unserer Tochter war, flüchten, wenn alles zu viel wurde. Stattdessen versank ich in Einsamkeit und Angst, in Anträgen, Ablehnungen, Widersprüchen, Gerichtsterminen und DNA-Tests, weil die Vaterschaft nicht anerkannt war, da der Vater unseres Kindes nicht in der Lage war, dies selbst in die Wege zu leiten. Statt auf dem Spielplatz Bekanntschaften zu machen, hetzte ich von Termin zu Termin, damals alles noch ohne Hausbesuche. Ich habe mich noch nie im Leben so einsam und ausgebrannt gefühlt, wie die ersten drei Jahre in meinem Leben als Mutter.

Als dann unerwartet mein jetziger Partner in mein Leben trat und ich das erste Mal mein Kind vorstellte, war ich absolut überfordert damit, wie mein Kind in diese Partnerschaft passt und welche Rolle er übernehmen sollte. Ihm ging es nicht anders, schließlich ist auch er Vater, frisch getrennt und sein Kind lebt nicht bei ihm. Zu der schwierigen Aufgabe, unsere neue Beziehung zu navigieren, kam also die Herausforderung, uns selbst als Eltern unserer jeweiligen Kinder und Bezugsperson der Kinder des anderen zu finden. Während ich jedoch bisher sein Kind nicht kenne, hat er meines von Anfang an miterlebt. Diese Idee, dass Patchwork sofort zu funktionieren hat und dass der neue Partner ohne Übergänge und Anfangsschwierigkeiten eine Bindung zum Kind aufbaut, finde ich nicht realistisch. Wenn wir uns erinnern, hat es auch für uns Eltern gedauert, bis wir eine wirkliche Bindung zu unserem Kind hatten.

Für jede*n ist dieser Prozess unterschiedlich. Also ist es auch kein Wunder, dass es bei neuen Partnern ebenso eines Prozesses bedarf. Das bezieht sich nicht nur auf die Bindung zum Kind, sondern auch auf die allgemeine Dynamik. Ich wusste zu Beginn nicht, wie ich meinem Partner mein Kind nahe bringen kann. In unserem Fall ist ja alles von mir gesteuert. Meine Tochter kann nicht von selbst auf Menschen zugehen oder sie ansprechen. Auch Körperkontakt kann von ihr nur begrenzt initiiert werden. Umgekehrt ist es für Menschen, die sie nicht kennen sehr schwer, auszumachen, ob sie sie erkennt, die Gesellschaft genießt oder Zuneigung empfindet. Sie müssen also mir, meinen Aussagen und meiner Beobachtung vertrauen. Dieser Umstand macht es schwerer, eine Bindung aufzubauen. Er macht es mir auch schwer, die Grenzen abzuschätzen. Wann gebe ich sie ihm auf den Schoß, wie sehr beziehe ich ihn in bestehende Routinen ein, ohne dass es zu schnell zu viel wird? Ich habe zum Beispiel unterschätzt, dass er ja auch noch ein Kind hat und gerade mit der neuen Situation zurecht kommt, es nicht mehr täglich zu sehen. Dass das auch Trauer bedeutet und dass es ihn vielleicht traurig macht, mein Kind öfter zu sehen, als sein eigenes. Das spielt natürlich auch in die Kennenlernphase mit hinein. Dazu kommt, dass es eine Zeit dauert, für eine Person oder ein Kind, Gefühle zu entwickeln. Er hat sich sehr bemüht, aber wir haben schnell gemerkt, dass wir die Sache anders angehen müssen, dass wir Bindung nicht erzwingen können.
Wir schalteten also einen Gang zurück, ich entspannte mich, somit auch er und langsam aber sicher fanden die beiden ihren Zugang zueinander.

Umso rührender ist es für mich, dass er mittlerweile, wenn er Abends zu uns kommt, erst einmal nach ihr schaut und sich morgens, wenn er zur Arbeit geht wie selbstverständlich von ihr verabschiedet. Dass ihr Autositz immer in seinem Auto mitfährt, für den Fall, dass wir zusammen irgendwo hin fahren und er sie auch gerne selbst hinein setzt um sicher zu gehen, dass sie gut angeschnallt ist. Er spielt ihr auf der Gitarre vor, nimmt sie auf den Arm, fährt sie und mich zu Terminen, sofern es sein Zeitplan erlaubt und sie liebt ihn, was er mittlerweile erkennt. Auch ohne Worte.

Kann aus alleinerziehend in Partnerschaft eine Familie werden?
Ich bin der festen Überzeugung, dass das möglich ist. Aber es kommt eben nicht selbstverständlich. Das sollte aber nicht entmutigen. Was es meiner Meinung nach braucht, ist Einfühlungsvermögen, Zusammenhalt und Geduld. Nur weil es vielleicht länger dauert oder am Ende nicht in der Form passiert, ist die Partnerschaft und auch die Bindung zum “Bonuskind” nicht weniger wert.

Jede Konstellation ist individuell und selten vergleichbar. Ich habe aus meiner gelernt, Dinge nicht zu erzwingen, und bei mir und uns zu bleiben, statt auf andere zu schauen. Eigentlich etwas, das man auf alle Aspekte des Lebens übertragen kann, auch wenn es nicht immer gelingt.

Von Jasmin Dickerson

Porträt von SOLOMÜTTER Gastautorin Jasmin Dickerson