Helene Pfennig

Helene Pfenning ist Ballettlehrerin in Stuttgart. Mit der großartigen Idee “Töpfern für’s Tanzen” hat sie ihre eigene Ballettschule durch die Coronazeit gerettet. Alleinerziehend ist Helene bereits seit der Schwangerschaft vor gut zwei Jahren.

SOLOMÜTTER: Helene, erzähl doch mal, wie Du alleinerziehend wurdest?

Mit dem Vater meiner Tochter war ich gut befreundet, wir waren uns auf Anhieb sympathisch und unternahmen sehr viel miteinander, so dass es so schien, als habe er ernsthaftes Interesse an mir. Vor allem, als es dann auch mehr als nur Freundschaft wurde, obwohl ich anfangs sehr zurückhaltend war.

Es fühlte sich ein bisschen so an, als wären wir Bonnie und Clyde: nachts in Freibäder steigen, tags dann Skatepark, Tennis oder mit Freunden auf Wiesen abhängen, tanzen bis zum Morgen, alles fühlte sich so leicht an. Er hatte zu der Zeit zwar noch eine Fernbeziehung, aber ließ heraushören, dass diese nicht mehr so gut lief.
Irgendwann zog ich dann aber doch die Notbremse. Um ihn nicht vor die Entscheidung stellen zu müssen und mir Verletzungen zu ersparen, die ich da kommen sah. Ich beendete den Kontakt, mit dem Argument, er soll sich um seine Beziehung kümmern und mich in Ruhe lassen. Als Ego-Booster war ich mir dann doch zu schade.

Ich hatte lange keine Ahnung, bis ich plötzlich merkte, dass sich alles anders anfühlte. Ich war gerade auf einem Festival in Hamburg, hatte keine Lust mehr auf Alkohol, war ständig müde und total emotional. Der Grund dafür war, dass ich schwanger war, ohne es auch nur zu erahnen.

Hast Du am Anfang mit Deiner Situation gehadert?

Für mich stand ab dem Moment, an dem die zwei Striche auf dem Test erschienen, fest, dass eine Abtreibung für mich nie in Frage kommen würde. Ich wollte dem Menschlein in mir ein Leben schenken, koste es was es wolle.

Wie eine Löwenmama kämpfte ich dafür und mir kommen heute noch die Tränen, wenn ich daran denke, wie viel ich dafür ertragen musste. Ins Detail gehen möchte ich nicht, denn inzwischen haben wir einen ganz guten Umgang gefunden der Mathilda gut tut. Doch ich werde niemals vergessen, wie allein und verzweifelt ich mich gefühlt habe und zum Glück von Freunden und meiner Familie ganz lieb aufgefangen wurde.

Wie hast Du Dich denn nach der Geburt in die neue Situation eingefunden?

Am Anfang musste sich alles einpendeln, hatte ich doch zwei Jahre vor der Schwangerschaft erst die Ballettschule meiner Mutter übernommen und wollte allen zeigen, dass ich sie auch gut führen kann. Deswegen brachte ich, noch hochschwanger, eine Ballettaufführung mit fast 200 Schülern auf die Bühne, bei der ich alles selbst organisierte.

Danach kam meine Kleine zur Welt und nichts war mehr so, wie zuvor: Da ich alleine war, kam ich fast täglich an meine Grenzen. Mal kurz duschen oder etwas zu essen, alles war eine Herausforderung. Dazu habe ich seit 14 Jahren einen Hund, der sehr viel Aufmerksamkeit einfordert. Aber ich sagte mir immer, das ist der Preis, für Mathildas Leben!

Ich fing auch recht bald wieder an, zu unterrichten. Meine Mutter wartete dann in einem Raum in der Ballettschule, den ich für Mathilda schön hergerichtet hatte.

Tagsüber am Unterrichten und Organisieren und in jeder Pause am Stillen und Baby knuddeln. Es fühlte sich so an, als fehle ein Teil meines Herzens, jede Sekunde, in der ich Mathilda nicht im Arm halten konnte. War sie doch vor kurzem noch in meinem Bauch.
Nachts war ich auch meistens wach und am Stillen, Wickeln oder ich war dabei, singend das Baby durch die Wohnung zu schaukeln.
Ein Freund von mir, der selbst auch eine erwachsene Tochter hat, meinte mal zu mir: „Es wird immer einfacher, du wirst sehen!“ Dieser Satz hat mir unglaublich viel Kraft gegeben und bis jetzt hat er sich wirklich bewahrheitet.

Was ist denn bislang schon “einfacher” geworden?

Jetzt kann ich duschen und Mathilda denkt sich so lange Geschichten aus und spielt. Zehn Minuten nur für mich, das gibt mir manchmal genug Energie für den ganzen Tag, denn die hatte ich tatsächlich zwei Jahre lang nicht.

Dafür sind meine Tochter und ich ein prima Team und verstehen uns blind. Ich weiß immer schon was sie braucht, bevor sie es mir sagt und sie bringt mich so oft zum Strahlen. Wir lachen viel miteinander.

Ihr Vater hat inzwischen die dritte neue Beziehung und scheint glücklich. Für ihn hat sich ja eigentlich auch nichts verändert. Ich habe Mathilda, alles ist anders als davor. Man opfert sich täglich auf, aber auf eine so sinnvolle Art, denn was gibt es Schöneres, als einem kleinen, neugierigen Menschlein die Welt zu zeigen und dabei selbst nochmal neu zu lernen, dass das Glück oft so nahe liegen kann.

Wie hat die Pandemie Deinen Alltag verändert? Die Ballettschule musste ja auch schließen…

Kopfkino und Existenzängste gingen mit dieser Zeit einher. Das Geld wurde knapp und es war kein Ende in Sicht.

Da für mich, zum Ballettunterricht, einfach der persönliche Kontakt zu meinen Schüler/innen gehört und ich im Onlineunterricht auf Dauer keine Option gesehen habe, überlegte ich, wie ich mich neu aufstellen könnte.

Ich konnte nicht herumsitzen und nichts tun und so kratzte ich mein letztes Erspartes zusammen und baute in einem freistehenden Atelier der Ballettschule ein Töpferstudio und übte jede freie Minute. Thilda war immer mit am Start und hatte dort viel Spaß.

Da ein paar Magazine wie Reflekt, Stadtkind und die Stuttgarter Zeitung durch Instagram auf meine Geschichte: „Töpfern fürs Tanzen“ aufmerksam wurden, hatte ich schnell eine beschauliche Zahl an Followern auf Instagram, die meine handgemachten Keramikstücke abkaufen und mich unterstützen wollten.

Wie bist Du denn auf die Idee des Töpferns gekommen? Hattest Du da schon Erfahrung oder Berührungspunkte mit?

Die Idee schwebte mir tatsächlich schon eine Weile im Kopf herum. Ich habe überlegt, was ich vormittags machen könne um ein wenig dazu zu verdienen, wenn Mathilda in den Kindergarten kommt. Da Ballettunterricht ja meistens erst zwischen 14 und 20 Uhr beginnt, wenn die Schüler Schulschluss und die Erwachsenen Feierabend haben. Würde ich dann jeden Nachmittag unterrichten, hätte ich keine Zeit mehr für meine Tochter und da musste ich abwägen: Geld oder Zeit?

Von einem neuen Studiengang bis hin zu etwas Handwerklichem, das ich ganz flexibel und alleine machen kann, hatte ich verschiedene Ideen. Irgendwie kam ich dann auf’s Töpfern und eine Freundin, die auch ein Töpferstudio hat, bestärkte mich.

Berührungspunkte mit Ton hatte ich nur als Kind in der Waldorfschule und auf einer Jugendfarm. Außerdem hat mir meine Freundin mal eine Töpferstunde gegeben als ich hochschwanger war. Ich muss immer noch schmunzeln, wenn ich das total schiefe Endresultat angucke.

Als die Ballettschule dann coronabedingt nicht mehr aufmachen durfte, spürte ich dem Impuls schon jetzt zu starten und zu üben. Fürs Töpfern braucht man wirklich Zeit und Geduld. Ich nutzte jeden Mittagsschlaf meiner Kleinen und die Nächte, um alles zu planen und zu kalkulieren — und legte los.

Als meine ersten getöpferten „Cadeaux“ schon Anklang fanden, kam mir die Idee, damit die Ballettschule zu retten. Viele unterstützen mich mit dem Kauf der Keramikstücke, so dass ich schnell nicht mehr hinterher kam. „Petit Cadeau“ war also geboren.

Hast Du Dir dann sofort eine komplette Ausstattung inkl. Töpferscheibe zugelegt?

Peux a peux. Zuerst kam das Studio, dass ich eingerichtet habe, da hatte ich ja Glück, dass ich die Miete der Schule sowieso schon zahlen musste und ein Raum nicht genutzt wurde. Dann die Scheibe, für deren Abholung ich einen Roadtrip mit einer Freundin gemacht habe.

Anfangs habe ich noch auf der Jugendfarm brennen dürfen und dort viel gelernt. Das war aber teuer und sehr umständlich, jedes Teil viermal in Zeitung zu verpacken und hin und her zu fahren, da wäre ich auf Dauer nicht weiter gekommen. Nach dem dritten Ofen-Fehlkauf hat mein Vater mich dann unterstützt und dann hat das Selbstbrennen endlich geklappt. Das hat mich so glücklich gemacht!

Wie vertreibst Du Deine getöpferten Kunstwerke? Gibt es einen Online-Shop und/oder auch einen stationären Laden, der die Sachen vertreibt?

Momentan nur über Instagram. Das funktioniert recht gut und reicht mir gerade auch. Irgendwann wäre ein eigener Onlineshop zauberhaft!

Es gab tatsächlich schon Anfragen von ganz tollen Läden. Gerade bin ich dabei, an einer kleinen, maßgeschneiderten Kollektion für einen Shop zu arbeiten. Ansonsten töpfere ich nicht auf Bestellung, da ich mich gerne weiterentwickeln möchte und nicht nur Tässchen oder Schüsselchen am Fließband töpfern möchte. Außerdem sagt mir der Ton meistens, was aus ihm werden soll. Let it flow!

Ich versuche mich gerade an mit vergoldeten Lampenschirmen und habe so viele Ideen, das ich es kaum erwarten kann bald, während meines Urlaubs, wieder loszulegen. Momentan kümmere ich mich nämlich verstärkt um den Neustart der Ballettschule.

Was kosten Deine Werke?

Momentan wohl zu wenig, da ich sehr teure und hochwertige Materialien verwende und ziemlich lange an jedem Stück sitze. Aber ich sehe es als Übungsphase. Preislich liegen die Stücke zwischen acht und 150 Euro.

Ich habe schon häufiger von Kund:innen gesagt bekommen: „Du bist zu günstig, ich hätte auch das doppelte gezahlt“. Es ist einfach schwierig, angemessene Preise für Handarbeit zu kalkulieren. Vor allem wenn es vermeintlich perfekte Stücke an jeder Ecke für einen Appel und ein Ei gibt. Aber das ist dann halt auch aus einer Massenproduktion.

Ich verwende sehr hochwertige und teure Grundmaterialien, das ist mir wichtig. Die Qualität soll stimmen, auch wenn die Stücke nicht immer perfekt werden, aber vielleicht verleiht ihnen ja genau das den gewissen Charme.

Wer ein Teil von mir ergattert, kann in meinen Instagram-Stories jeden Schritt der Herstellung verfolgen.

Wie möchtest Du das Töpfern ausbauen?

Eigentlich gefällt mir die Idee, wie ich es bisher handhabe: Dass ich jedes Unikat hochlade und wer es als erstes reserviert, darf es abholen, bekommt es geschickt oder sogar persönlich geliefert. Ich habe immerhin schon von Stuttgart, Berlin, München, Hamburg bis nach Schweden und Frankreich versendet.

Da ich aber auch den treuen Followern entgegenkommen möchte, die nie etwas ergattern, habe ich eine Wunschliste, die ich fülle, und wenn ich denke, mein aktuelles Cadeau könnte zu dem Wunsch passen, dann hat der- oder diejenige quasi das Vorkaufsrecht.

Weil ich mir das Töpfern eine solche Freude bereitet und darin eine zweite Leidenschaft gefunden habe, behalte ich mein: „Petit Cadeau“ neben der „Ballettschule Pfennig“ als zweites Standbein. Langweilig wird es mir auf jeden Fall nicht mehr.

Ja, lass uns mal über die Ballettschule sprechen: Wie viele Klassen unterrichtest Du pro Woche?

Vor der Geburt meiner Tochter waren es 13-15 Klassen und momentan sind es erst mal 6 Klassen. Das klingt vielleicht wenig, ist aber mit der Schulführung und der Unterrichtsvorbereitung ein Fulltime-Job. Ich habe zwei Mitarbeiterinnen und vermiete nebenher noch die Räumlichkeiten. Bald kommen sicher wieder ein paar Stunden dazu, aber aktuell möchte ich mehr Zeit für Mathilda haben!

War das Tanzen immer Deine Leidenschaft? Welchen Einfluss hatte Deine Mutter?

Tanzen und Ballett gehörte für mich schon immer dazu. Meine Mutter ist Ballettlehrerin und nahm mich früh mit zu ihrem Unterricht, ich saß schon als kleiner Stöpsel mit im Ballettsaal auf der Fensterbank. Es ist einfach ein Teil von mir, aber so richtig entflammte die Leidenschaft erst nach dem Abitur.

Was ist das besondere an diesem Job?

Man bekommt super viel zurück: Erstens bleibt man fit und gelenkig. Dazu die schöne Musik und die strahlenden Kinder und Erwachsenen. Jeder kommt freiwillig. Es ist ein sehr dankbarer Beruf würde ich sagen. Wäre da nicht die ganze Bürokratie, die der Kreativität oft ein Bein stellt.

Tanz Thilda auch schon?

Ja, aber nur im Wohnzimmer und im Lockdown habe ich ihr Privatsunden gegeben. Aber sie fragt schon. Wenn sie drei Jahre alt ist, werde ich einen neuen Kinderkurs starten, dann kann sie dabei sein. Momentan unterrichte ich nur ältere Schüler/innen.

Von Sara Buschmann